Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Lippische Soldaten im amerikanischen Unabhängigkeitskriege

Die Werbung
Das kleine lippische Bataillon hatte wenig Gelegenheit gehabt, in eigenen Kriegen Ruhm zu erwerben. Um so mehr waren die größeren Krieg führenden Nachbarn bei ihren Soldatenwerbungen davon überzeugt, die dortige Gegend sei „dergestalt situieret, dass daselbst ein Zufluß von dergleichen ohnehin entbehrlichen Leuten zu hoffen stehe“. Der Landesherr hatte zwar den Kriegsdienst in fremden Heeren streng verboten, öffnete aber „ aus freundnachbarlicher Gesinnung“ und unter dem Druck der Mächtigeren doch immer wieder fremden Werber das Land. Lipper dienten nicht nur im preussischen Heere, sie standen vor allem bei den hessischen Truppen in Rinteln und in Kassel. Eine Aufstellung aus dem Jahre 1768 nennt mit Namen allein 14 Lipper, die zum 3.Bataillon der Garde des Landgrafen von Hessen gehörten. Unter den Offizieren der übrigen hessischen Regimenter sind die lippischen Namen der v. Donop, v. Gerstein, v. Roden und v. Friesenhausen mehrfach vertreten, und der Chef des in Rinteln garnisoierenden hessischen Regiments, Generalleutnant v. Loßberg, nennt Lippe ausdrücklich sein „Vatterland“.
In den Intelligenzblättern lesen wir folgendes „Avertissement“:
Cassel. Auf Gnedigsten Befehl Seiner Hochfürstl. Durchlaucht des Herrn Landgrafen zu Hessen-Cassel wird hierdurch bekannt gemacht: dass die zweite Compagnie von hochlöbl. Feldjäger-Corps erst in vier Wochen marschieret, und diejenigen welche sich darbey engagieren wollen, sich in der Waldau eine halbe Stunde vor Cassel bei dem Capitain Ewald melden müssen. Handgeld wird nicht gegeben; jeder Feldjäger bekommt von dem Tage, wo er bei der Compagnie eintrifft, das deutsche Tractament a` 3 Reichstaler monatlich und von dem Tage des Ausmarsches an das englische Tractament a`6 Rthlr., überdies auch noch monatlich 10 gute Groschen kleiner Mondierungsgelder. Denjenigen, so ihre eigenen Büchsen mitbringen, werden solche, wenn sie recht gut sind, bezahlt. Außerdem wird allen denen, so während dem Kriege etwa durch starke Blessuren zu fernerem Dienste außer Stand gesetzt werden sollten, eine proportionierte Pension gnädigst versprochen, diejenigen hingegen, welche verabschiedet zu werden verlangen, werden ihre Dimmission nach ihrem Betragen ohnverweigerlich erhalten.
Alle diejenigen, welche demnach Lust tragen, unter obigen Conditionen bey dem Feldjäger-Corps zu dienen, müssen sich binnen dieser Zeit gehörigen Ortes melden, und das weitere vernehmen; jedoch hierbei zur Nachricht, dass keine andere als wohlgelernte Jägers, welche dieserhalben gehörige Atestata und gültige Lehrbriefe vorzeigen können werden angenommen werden. Cassel den 19ten Februar 1776.

Carl von Donop
Obrister und Commandeur
(Int. 1776)

„Juchhe ! Nach Amerika !“
Der Landgraf von Hessen brauchte Soldaten, viele Soldaten. Er hatte mit der englischen Regierung jenen Handel abgeschlossen, der eines der schmachvollsten Ereignisse der deutschen Fürstengeschichte gewesen ist:
Die englischen Kolonien in Nordamerika, heute die Vereinigten Staaten, hatten sich gegen ihr Mutterland erhoben, um ihre Unabhängigkeit zu erkämpfen. Da England der Rebellen allein nicht Herr zu werden vermochte, kaufte es gegen ein Blutgeld von deutschen Fürsten deren Regimenter, meist Landeskinder. Der Landgraf von Hessen stellt das Hauptkontingent. So sollten auch die angeworbenen Lipper mit über das Meer. Wieviele von ihnen schon bei den hessischen Truppen standen, wie viele sich neu anwerben ließen, wisssen wir nicht. Es werden nicht wenige gewesen sein. Noch litt das Land unter den Nachwirkungen der furchtbaren Hungerjahre 1771 – 1773. So heißt es denn etwa bei einem der angeworbenen Burschen ausdrücklich, „dass er aus lauter Noth Unterhalt suchen muß“. Die üppige Löhnung lockte manchen. Die hessischer Werber verstanden es auch, die jungen Kerle, die als Dienstboten oder bei Holzfuhren nach Rinteln kamen, betrunken zu machen und dann zu verpflichten. Ein neunzehjähriger Bursche „aus der Talle“ ließ sich anwerben, weil er „seinen alten Eltern nicht mehr wollte gehorchen“. Manchen trieb die Abenteuerlust: „Juchhe! Nach Amerika!“
Im April und Mai 1776 schon rückten die hessischen Truppen aus. Sie zogen auf der großen Straße durchs Lippische, über die Weser und über Verden nach Bremerhaven. Im Mai wird von Erder aus gemeldet, dass die schwere Bagage von 6 Regimentern und einem Bataillon hessischer Truppen durchgekommen sei.
Gegen Ende denselben Jahres wurden dann in den Lippischen Intelligenzblättern zwei Briefe von Kriegsteilnehmern veröffentlicht. Der ausführlichere von beiden stammt von einem höheren Offizier, der wohl zur Rintelner Garnison gehörte: er ist an einen Generalleutnant gerichtet, der offenbar persönliche Beziehungen zu dem Herausgeber des Intelligenzblattes hatte.
Der Schreiber des Briefes gehörte mit seiner Truppe zur mittleren Abteilung der 40 000 Mann starken englischen Armee. Diese sollte von New York aus in das Zentrum des Landes vordringen, während die beiden Flügel der Armee von Norden und von Süden her den Feind fassen sollten.

Die Ueberfahrt
Den 9ten Mai segelten wir von St. Helenen ab und nach vielen ausgestandenen Stürmen und anderen großen Gefährlichkeiten haben wir endlich den 15ten August vor Staten Island die Anker geworfen.
Der Sturm auf Pfingten, so 4 Tage und 4 Nächte währte, war einer der schrecklichsten, und das Schiff „Union“, auf dem ich mich befand, war mehr als einmal in Gefahr, durch andre Schiffe zu Grunde gerichtet zu werden. Alle Steuer waren feste gebunden und alle Segel eingezogen, und so waren wir den Wellen überlassen.
Die Flotte zerstreute sich, und in 48 Stunden habe ich kein Schiff von der Flotte gesehen. Nach geendigtem Sturme hielt der Commodore auf einer gewissen Höhe 3 Tage Randevous, schickte Fregatten weg, so auf Signals von Kanonenschüssen die zerstreuten Schiffe wieder sammelten. Die meisten fanden sich auch wieder ein bis auf 19 oder 20, so zu Halifax eingelaufen, und wir trafen daselbst erstlich die Schiffe den 7. Juli an. Halifax ist von Staten Island schwerlich mehr als 6 bis 700 englische Meilen. Allein hier ging unsere Not erst recht an. Wir mussten noch zwei Stürme aushalten, die mit den schrecklichsten Gewittern begleitet waren und diese sind sowohl zu Wasser als zu Lande weit schrecklicher und fürchterlicher als in Europa. Sie sind mit Orkanen begleitet, die die Natur erschüttern. Wir gerieten dabei auf gefährliche Seeströme, die uns auch ohne Sturm beständig gegen Süden trieben. Dieses verlängerte unsere Reise unerhört, vermehrte unsere Krankheiten und der Scharbok (Scorbut) nahm überhand. Viele Leute liegen noch an gelähmten Gliedern, und einige sind auch daran gestorben. Wir litten endlich an den notwendigsten Dingen, die Offiziers selbsten, denn wir hatten uns auf eine so lange Reise nicht geschicket. Unser Vorrat ging völlig auf, auch der Wein, und wir mussten mit der simplen Schiffskost fürliebnehmen.
Vorzüglich litten wir an Wasser. Es war nicht nur stinkend geworden, sondern es hatte überhaupt einen hässlichen Geschmack, da man auf die Flotte lauter königliche Fässer genommen, so ganz neu und von eichen Holz waren, worin natürlich sich die Lohe ziehen musste. Zu Halifax durften wir nicht landen, konnten also kein frisches Wasser einnehmen. Sechs Mann haben in 2 Tagen eine ganze Zeitlang nur 3 Feldflaschen voll Wasser bekommen und dieses musste noch dazu auf den meisten Schiffen 5 oder 6 mal filtrieret werden, ehe es trinkbar wurde. Der Mann bekam täglich nicht mehr denn 17 Loth Brodt, so man Zwieback nennet, wovon vieles durch eingelaufenes Seewasser verdorben war; der Schiffskapitän musste zu seiner Rechnung kommen, es musste also gegessen werden.
Unsere meiste Equipage ist durch eingelaufenes Seewasser verdorben und verschimmelt. Die Wellen schlugen in den Stürmen stets auf das Verdeck, und das Wasser lief in die untersten Räume. Es musste durch Pumpen wieder herausgepumpt werden; die Betten der Soldaten brachen in den Stürmen; Betten, Soldaten, Waffen, Feldgeräte und andere Sachen waren ein Durcheinander; hiezu kam noch die Seekrankheit. Die armen Leute mussten die ganze Zeit während des Sturmes stehen und sich aneinander halten, nichts konnte während desselben reparieret werden. Feldflaschen, Feldkessel und unzählbare Menge von Ratten, die Zelte, Montierungen, sogar die Patronen und unseren wenigen Mundvorrat fraßen, vermehret unsere Not. Sie nageten sogar die Fässer durch, in denen das Wasser aufbewahret wurde.
Gott hat uns entlich doch sämitlich erhalten, dass kein Schiff verunglückt ist.

Die ersten Gefechte
Nun muß ich Ew. Exzellenz eine kleine Erzählung von unseren Kriegsoperationen machen.
Wie schon gesagt, so haben wir zu Staten Island den 15.August gelandet. Dies ist eine Insel, die etwa 27 englische Meilen im Umfang hat. Sie war durch den General Howe bereits mit Engländern besetzt; außer unserer Flotte, so aus mehr als 100 Segeln bestund, trafen wir den Admiral Howe mit mehr denn 400 Segeln in der Bay an, teils Proviant-, teils Transport-, teils Kriegsschiffe. Man sagt, dass die Kriegsschiffe aus 19 von der Linie und 64 Fregatten bestehen, die längs der ganzen Küsten von Amerika eine dreidoppelte Kette gezogen haben. Gegenwärtig haben wir hier bei uns 10 Schiffe von der Linie und 20 Fregatten, ohne die Bombardier-Galtotten und Branders. Die Landtruppen, die wir hier bei uns haben, bestehen ohne uns aus 16 000 Mann Engländer und 2 Regimentern leichte Reiterei. – Die Truppen sind schön und in dem vortrefflichsten Zustande, ihre Artillerie bestehet aus 40 schweren Kanonen, außer einer großen Anzahl Mörser und Haubitzen.
Staten Island liegt Long Island gerade gegenüber. Die Bay scheidet sie, worinnen die Schiffe liegen, und die ungefähr eine englische Meile breit sein mag. Wir wurden bloß nach Staten Island zuerst ausgeladen, um uns in etwas zu erholen. Nach einigen Tagen wurde ein Corps Engländer nebst unserem Grenadier-Corps und den Jägern unter dem Obristen von Donop nach Long Island übergesetzet, um Posto zu fassen. Die Rebellen hatten diese Insel stark besetzt, und man glaubte, sie würden uns den Übergang streitig machen. Einige Kriegsschiffe hatten sich daher in Schlachtordnung so geleget, um den Uebergang zu decken. Das Corps Infanterie ging in großen flachen Boten in Schlachtordnung und in Linie mit dem Gewehr in der Hand über. Es geschahe an einem schönen Tage morgens um 9 Uhr. Das war ein überaus schönes Schauspiel für die Zuschauer von Staten Island.
Die Rebellen taten nicht einen einzigen Schuß. Sie verließen das Ufer und ließen nur ihren Zorn an einigen Kornhaufen aus, die sie in Brand steckten. Das Corps setzte sich fest. Den 25. August gingen sämptliche Hessen und noch mehr Engländer über außer den 4 Regimentern Leibregiment, Prinz Carl, Dithfurt und Trumbach, so unter dem Obristen von Losberg auf Staten Island stehen geblieben sind und noch stehen.
Den 26ten war Rasttag. Demselben Tag aber wurde ich für meine Person mit 2 Kanonen und 300 Mann kommandieret einen vorgeschobenen Posten auf dem linken Flügel der Armee zu nehmen. Ich habe die Bergschotten abgelöst, die einige Tote und Blessierte erhalten hatten. Meine Kanonen aber und kleines Feuer erhielten die Riffelmanns (Amerikaner) in solchem Respekt, dass ich nichts verloren habe. - Den 28. rückte die Armee aus ihrem Lager, ließ die Zelte stehen und die Ausrüstung zurück. Der Feind stand auf eminenten Anhöhen, wovon die Gipfel mit dicken Wäldern besetzet waren. Die Regimenter rückten mit größtem Mut und Ordnung, klingendem Spiel, fliegenden Fahnen und blasenden Hautboisten die Anhöhen hinauf, schleppten ihre Kanonen, so schwer es auch war, mit sich. Der Feind feuerte gewaltig, aber alle zu hoch. Sobald sie auf der Anhöhe waren, wurde gerichtet, die Flanqueurs (leichte Truppen) und Freiwilligen wurden an die Spitze gesetzet und in dieser Position der Feind attackieret und gar bald aus seinen Posten getrieben. Die Regimenter haben, ohne einen Schuß zu tun, beständig mit geschultertem Gewehr den Flanqueurs nachmaschieret, diese haben einzig und allein die Aktion gewonnen. Der Feind hatte undurchdringliche Dickungen, Linien, Verdecke und Rebouten vor sich. Die Riffelmanns sind mehrenteils mit Bajonetten an die Bäume gespießt worden; diese fürchterlichen Leute verdienen eher Mitleid als Furcht. Sie müssen allezeit eine Viertelstunde Zeit haben, um ein Gewehr zu laden, und in dieser Zeit fühlen sie unsere Kugeln und Bajonette.

Ueber die „Rebellen“
Das hessische Corps hat 1 Fahne und 5 Kanonen erobert und 300 Gefangene gemacht, worunter die Generals Mylord Sterling und John Sullivan sind. Letzterer ist ein Advokat und vorher Bedienter gewesen, aber ein Mann von Genie den die Rebellen sehr regrettieren werden. Er hat das Kommando gehabt, unter ihm Putnam und Sterling. Ich ließ ihn visitieren und fand die Originalorders von General Washington bei ihm, aus denen ersichtlich war, dass er die besten Truppen unter seinem Kommando gehabt hatte, dass auf die Behauptung des Waldes alles ankäme und dass er 8000 Mann stark gewesen war.
In dem Walde sahe es schrecklich aus, es waren gewiß 2000 Tote und Verwundete darin. Die Engländer haben nicht viel Pardon gegeben und animierten beständig unsere Deutschen desgleichen zu tun. Ueberhaupt mögen wir an gesundenen Gefangenen 8 – 900 Mann, worunter mehr denn 100 Officiere, haben. Unser ganzer Verlust besteht in einem toten Grenadier und einem toten Jäger und in 10 oder 12 leicht Verwundeten. Ew. Exzellenz Regiment hat nicht einen Tropfen Blut verloren.
Unter den gefangenen sind viele sogenannte Obristen, Stabsoffiziere und Offiziere, so aber aus lauter Handwerkern, Schustern, Schneider, Perückenmachern, Barbieren und dergleichen Zeug bestehen. Einige sind tüchtig von unseren Leuten geprügelt worden, welche solche Leute gar nicht für Officiers wollen passieren lassen. General Pulnam ist ein Metzger seiner Profession. Ich stelle mir ihn im Geiste vor als den Metzger F., so gewiß in Rinteln unter der Bürgerschaft nichts geringes vorstellt.
Die Rebellen Desertieren häufig, und es ist nichts Neues, dass man Obristen, Obristleutnants und Majors mit ganzen Truppen ankommen siehet. Die eroberte Fahne, so von rotem Damast mit dem Motto: Liberty, stellte sich mit 60 Mann vor dem Regiment Rall ein. Sie hatten das Gewehr alle verkehrt geschultert, den Hut unter dem Arm, fielen in die Knie und baten sehnlichst um ihr Leben.
Kein Regiment ist ordentlich montiert und armiert. Ein jeder hat ein Hausgewehr, so wie der Bürger in Hessen auf Pfingsten ausmarschieret. Nur das Regiment Sterling war blau und rot montiert, 3 Bataillon stark, mehrenteil Deutsche, in Penniylvanien geworben, große schöne Leute, hatten überaus schönes englisches ganz neues Gewehr mit Bajonetten. Dieses Regiment traf auf Engländer, und weil es diese für Hessen in den Büschen ansahen, so feuerten sie nicht. Ihr Irrtum kostete ihnen den Obristen Grant, einige andere Offiziere und 80 Gemeine. Die Engländer sammelten sich wieder, griffen sie mit dem Bajonett an und warfen alles über den Haufen; was sie nicht massakrieret haben, ist gefangen, kurz, das ganze Regiment ist ruinieret. Der Rebellen Artillerie ist elend, mehrenteils von Eisen und noch schlechter bedienet und lieget aufs Schiffslafetten.
Ew. Exzellenz überschicke ich einige amerikanische Banknoten, deren viele 1000 erbeutet worden sind. Es will aber niemand von hiesigen Einwohnern einen Heller dafür geben; den Rebellen fehlt es an barem Gelde, an Kleidungen und an Salz. Ihre Kleidung besteht aus blau gefärbten grober Leinwand, aber auch aus grauer, so wie bei uns das Leggetuch ist und zwar ganz kurz, wie Kamisölter. Sie haben eine entsetzliche Menge Kranke, und ob sie schon solche mit sich fortgeschleppt, so hat man dennoch die große Anzahl aus den Hospitälern, so sie nur auf dieser Insel gehabt, ermessen können. Ihre Lazarettgerätschaften und Feldapotheke haben sie zurückgelassen. Unsere Regimentsfeldscheers haben solche geplündert und unser Medizinkasten hat auch seinen Anteil davon bekommen. Die Hospitäler aber sind sämtlich von uns in Brand gesteckt worden, um nicht die ansteckende Krankheit durch das hineinlaufen der Leute unter uns zu bringen.

Die Eroberung von Lang Island
Wir rücken den 27. sogleich vor, fanden aber, als wir auf die Ebene kamen, eine neue Verschanzung mit solchen Linien und Redouten doppelt und dreifach übereinander, dass sich der kommandierende General nicht getrauete, solches mit dem Degen in der Faust anzugreifen. Die Redouten waren alle von einer Meisterhand verpallisadiert und kassamatieret; die Werke waren alle mit Rasen bewachsen und die Gräben breit und verpalisadiert. Sie haben an diesen Werken länger als zwei Jahre gearbeitet so das man die Laufgräben dafür hätte eröffnen müssen. Sie saßen 10 000 Mann frischer Truppen in sich, die noch nicht gefochten. Ihren rechten Flügel deckten 3 kleine Inseln, die in dem Norder River liegen. Diese Inseln liegen hoch, und auf jeder war eine Festung, deren Werke von schönen Steinen waren. Sie decken auch den Eingang in den Nordriver und man kann nicht zu Wasser nach New York kommen, ohne diese Inseln zu haben. In ihrem Rücken hatten sie den Nordriver, an dessen Gestade die Stadt New York liegt; gleich hinter der Stadt erhebt sich eine Höhe, auf welcher man die übrige Armee kampieren sahe. Der Nordriver ist hier nicht breiter, als höchstens zweimal die Weser bei Rinteln. – Sie hatten Verbindung mit der Stadt mittelst vieler Schiffsbrücken, flachen Boote und Fähren. Wer hätte nun nicht glauben sollen, dass ein so vorteilhafter Posten würde verteidiget werden? Wir fingen bereits an, Batterien zu richten, so wohl für Bomben als schwere Artillerie. Allein unvermutet verließen dieses feste Lager in der Nacht vom 28. auf den 29. Es ist eine große Menge von Lebensmitteln, 5 Kanonen auch vieles lebendige Vieh erbeutet worden. Die Lebensmittel waren fast alle in ihren Casematten; viele 1000 Fässer Rum, Brodt, Wein, Fleisch und dergleichen. Nur schade, dass man nicht hat viele Gefangene machen können. Alleine sie hatten der Hülfsmittel zu viel, um geschwinde überzusetzen. Die 3 Inseln sind heute verlassen worden, sie hatten gestern den ganzen Tag weiße Fahnen wehen lassen. Die Bedingungen sind mir noch unbekannt. Unsere Kriegsschiffe können nun nach New York kommen, wenn sie wollen, ob der Fluß schon schmal, so ist er doch tief, die größten Schiffe zu tragen.
Ich habe mit Ew. Exzellenz ganzem Regiment vom 30. bis zum 31. auf einer Höhe, unter welcher der Nordriver hinfließet, New York gerade gegenüber, auf Commando gestanden. Ich fand das rebellische Lager auf jener Seite der Stadt noch stehen, und nahe am Ufer fand ich ein kleineres, so ich etwa für 2 Bataillon schätzte. Und ob es schon anfing zu dunkeln, als ich meinen Posten bezog, so begrüßte ich doch das kleine feindliche Lager mit etlichen Kanonenschüssen. Sie schlugen so gut ein, dass der Feind sogleich das Lager abbrach und sich zurückzog. Des Morgens – bei Anbruch des Tages – wurde ich gewahr, dass sich die ganze feindliche Armee retieret hatte. Ich war der erste, der dieses dem General Howe durch den Leutnant Zoll melden ließ; sowohl derselbe als der Admiral beehrten meinen Posten mit ihrer Gegenwart. Ich war Zeuge ihrer Beratungen, so dahin gingen, sogleich die andere Seite von New York mit Kriegsschiffen zu besetzen.
Die Rebellen scheinen nicht ihre Städte und Dörfer verbrennen zu wollen, wie sie gedrohet haben; denn New York ist ganz verlassen, ohne dass sie ein Haus darin abgebrannt hätten. Die Stadt hat eine überaus schöne Lage, die Häuser aber sind sehr ineinander gebaut. Sie scheint mir dem Ansehen nach so groß zu sein wie Preußisch-Minden.
Gestern konnte ich auf dem Kommando die Leute auf den Straßen gehen sehen und mit bloßen Augen erkennen, was für Farben sie an ihren Kleidern hatten. V. H. (Int. 1770)

Die Rückkehr
Im Jahre 1783 war, was der Tod von den Truppen übrig gelassen hatte, über das Meer zurückgekommen. Sie marschierten als langer Zug von 6 Regimentern in strenger Mannszucht unter Trommelschlag mit vielen Geschützen wieder den Weg, den sie einst gekommen waren, kamen über die Weser, übernachteten am 25.Oktober im Amte Sternberg, an den beiden folgenden Tagen im Amte Schwalenberg und maschierten dann wieder auf ihre hessische Heimat zu. Ihre Reihen waren stark gelichtet, so zählte das ganze Regiment Prinz Friedrich nur noch 13 Offiziere und 174 Unteroffiere und Gemeine. Ein Regiment hatte schon am 7.Oktober durch Bösingfeld seinen Weg genommen, ein anderes, das des einbrechenden Winters wegen in England geblieben war, folgte ein halbes Jahr später. Oberst v. Donop kam nicht zurück, er war schon in den ersten Kriegstagen gefallen.
Von den anderen, die nicht wiederkamen, erfahren wir nichts. Eine letzte Nachricht von den Verschollenen, noch einmal an das große Abenteuer erinnernd, enthält folgende „Edictal-Cietation“:
Es haben die Erben der vor einiger Zeit zu Langenholzhausen verstorbenen Oberjägerin Rötteken angezeigt, dass ihr Bruder und Miterbe Christian Friedrich Rötteken sich schon vor 15 Jahren von der Universität Marburg weg und dem Vernehmen nach Amerika begeben habe und weil er in diesem ganzen Zeitraume von seinem Leben und selbigen Aufenthalt gar keine Nachricht gegeben und dessen öffentliche Ladung und demnächstige Todeserklärung zufolge der Landesgesetze geziemend gebeten. (Int. 1791)

Abgeschrieben aus : Lippische Landeszeitung Nr. 6, Donnerstag den 8.März 1934
Abgeschrieben von : Wolfgang Bechtel, Dezember 2010-12-22

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