Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Lippische Tages Zeitung, Detmold, Mittwoch den 21.März 1923
Lippische Amerikafahrer

Von A. Wiemann, Reelkirchen

Abschrift Wolfgang Bechtel

Lippe ist ein schönes, gesegnetes Land. Darum hängt auch der Lipper an der Heimatscholle mit allen Fasern seines Herzens. Ungern nur verlässt er`s. Aber Not lehrt – wandern! Die Not hat seit langer Zeit unsere Ziegler und Maurer Jahr für Jahr in die Ferne wandern lassen, wenn unsere Berge und Täler ihren schönsten Schmuck anlegten. Die Not hat so manchen lippischen Bauernsohn den Weg nach dem fernen Osten gewiesen, nach Schlesien, Posen, und Westpreußen, aber auch manchen Lipper hat sie schon über das große Wasser nach Amerika getrieben. Not lernt Wandern! So war es einst. Not wehrt dem Wandern! So ist es heute vielfach. In welche Not sind unsere nach Osten ausgewanderten Landsleute geraten!. Ihr Schicksal wird noch lange schrecken. Und wer kann heute, trotz Mangel und Not, daran denken, sich jenseits des Weltmeeres in Amerika eine neue Heimat zu gründen! Der Überfahrtspreis beträgt etwa 120 Dollar. Das ist heute wenig und doch für die meisten, die wohl auswandern möchten, viel zu viel. Und die Fahrt nach Amerika macht`s auch nicht allein. Das große Schiff an der Amerikanischen Küste mit einem leeren Geldbeutel, einem Herzen voller Hoffnungen und einem paar arbeitswilligen Hände verlassen, heißt noch lange nicht, auf dem besten Wege zu Glück und Reichtum zu sein. Amerika ist nicht mehr das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und ein Schlaraffenland ist es für unsere Auswanderer nie gewesen. Saure, unermüdliche Arbeit, schwere Entsagungen und Entbehrungen hat es fast immer von seinen neuen Söhnen verlangt. Aber freilich zu Vaters und Großvaters Zeiten war`s doch leichter, die große Reise über den Ozean mit Aussicht auf Erfolg anzutreten als heute. Williger und freudiger wurde man drüben empfangen, und ein Beutelchen harter Taler brachte einen leichter über den großen Teich als heute ein großer Beutel voller Papiergeld, trotz aller Riesenschnelldampfer. Ach ja, die gute, alte Zeit!
Doch was bringt mich gerade heute auf solche Gedanken, und was veranlasst mich, davon zu erzählen. Ein altes Buch aus Großvaters Jugendzeiten fiel mir diese Tage zufällig in die Hände und weckte Auswanderungsgedanken. Ein Band des „Fürstlich lippischen Regierungs- und Anzeigenblattes vom Jahre 1849“ war es. Dieser Band stellte sie alle der Mit- und Nachwelt vor, die in jenem Jahre die Reise nach Amerika antreten wollten. Die Veröffentlichung der Wanderlustigen wollte natürlich dazu helfen, dass es niemand vor seiner Abreise vergaß, seine Rechnungen und Schulden zu bezahlen und sonstige Verpflichtungen zu lösen.. Aber auch für uns sind diese Veröffentlichungen von Interesse. Gaben sie uns doch genauen Aufschluss darüber, welche und wie viel Lipper im Laufe des Jahres 1849 unsere Heimat an die neue Welt abgab. 74 Jahre, zwei Menschenalter liegt jene Zeit hinter uns. Sie alle, die damals zum Wanderstabe griffen, deckt wohl schon längst die Erde ihrer neuen Heimat. Aber ihre Kinder werden leben. Haben diese die Heimat der Eltern und Großeltern vergessen oder pflegen sie noch die Beziehungen zu ihr? Und in wie vielen der lippischen Familien, die damals eins ihrer Glieder in die Ferne ziehen ließen, lebt heute noch die Erinnerung fort an jene ausgewanderten Onkel und Großonkel, Tanten und Großtanten? Wie lange sind die Bande der Freundschaft zwischen hüben und drüben geknüpft geblieben? Wie lange sind Briefe herübergekommen und hinübergegangen? Wer von den Ausgewanderten ist vorübergehend oder dauernd wieder in die alte Heimat zurückgekehrt? Mit mir würde es gewiss manchen Heimatfreund interessieren, Antwort auf diese Frage zu erhalten. Würde aus diesen Antworten doch auch hervorgehen, wie stark das Land ist, das den Menschen an die Heimat bindet, auch wenn er diese verlassen hat. Um Feststellungen dieser Art, für deren Mitteilung ich recht dankbar wäre, machen zu können, sei die Bitte derjenigen mitgeteilt, die 1849 amtlich ihre Auswanderung anmeldeten.
Kolon Hansmeier N 5 Dalborn,
Kolon Höfer N 32 Großenmarpe,
Dietrich Uthmeier N 61 Neuenkamp,
Kolon und Bauerrichter Bröker N 38 und Familie Altendonop,
Kolon Konrad Huneke N 46 Hiddesen,
Friedrich Gröchtemeier vom Gröchtenhofe,
Kolon Ridderbusch N 39 Erdbruch,
Kolon Albert Osterhage N 26 Talle,
Schmied Karl Rohdewald Sibbentrup,
Karl Friedr. Lutter von N 53 Laßbruch,
Friedrich Karl Christian Krumsiek, Johann Wortmann, Karoline Wortmann alle aus Herrentrup,
Hermann Kronen Brokhausen,
Karl Phil. Grondiedrich oder Gronmann von N 23 Ehrsen,
Heinr. Mühlmeier N 2 Kirchdonop,
Soph. Florent. Gröchtemeier vom Gröchtenhofe,
Geschwister Wilhelm und Sophie Büngener von N 63 Neuenkamp,
Kol. Johann Bernd, Gärtner N 7 Augustdorf mit 4 Kindern,
Wilh. Frevert Hagendonop,
Friedr. Melchers und Wilhelmine Kunterding aus Tintrup,
Kol. Schröder N 19 Tintrup mit Frau und 4 Kindern,
Amalie Limberg Langenholzhausen,
Zimmermann Konrad Bünte Silixen,
Friedrich Wilhelm Rieke von N 40 Bavenhausen, dessen Schwestern Wilhelmine und Friederike sowie Henriette Lichtenberg Talle,
der Interimswirt Brand N 35 Hohenhausen und Familie, dessen Stieftochter und Kolonatserbin Louise Brand, dessen Knecht Christian Johanning Varenholz, dessen Magd Sophie Führing Kalldorf,
Kolon Bödeker N 14 Hohenhausen und dessen ältester Sohn Cord Henrich mit Familie,
Verwalter Ernst Leopold Uekermann von N 2 Grastrup,
Louise Hamman von N 20 Sonneborn,
Kol. Freitrag N 25 Schönhagen, dessen Ehefrau und 3 Kinder,
Friedrich Siekmann von N 20 Schönhagen Amt Sternberg,
Friedr. Reese Bösingfeld,
Leibzüchter Bödeker N 10 Veldrom,
Schneider Konr. Koch Oerlinghausen,
Hermann und Simon Schnittger N 15,
Karl Witte, Wilhelmine Schmidt, Barthold Bunte, Friedr. Klaas von N 9 und Friederike Rosemeier von N 28, alls aus Spork Amt Detmold,
Joh. Bernh. Pferdeort Detmold,
Kol. Engelsmeier N 50 Stemmen,
Friedr. Limberg Langenholzhausen,
Henriette Tallmeier N 52 Kalldorf,
Goldarbeiter Theod. Jasper Schötmar,
Adolf Niewald von N 2 Niewald,
Oekonom Friedr. Berkmann Lipperode,
Geschwister Wilhelm Christoph Henrich und Christine Vietmeier und deren Tante Sophie Vietmeier N 21 Rischenau,
Heinrich Niebuhr Entrup, Christoph Mönk (19 Jahre) Sabbenhausen,
Friedr. und Hermann Obergrundmeier oder Grönen N 8 Rischenau,
Konrad Begemann von N 28 Schönhagen,
Heinrich Meier (20 Jahre) von N 3 Werl,
Wilh. Halling, Hummersen,
Kol. Meinert N 23 Loßbruch,
Dietrich Schilling Lemgo,
Karoline Krüger von N 21 Reine,
Kol. Ebker N 3 Jerxen,
Christian Multhaupt Hummerntrup,
Johann Vogt Ahmsen und Karoline Kestingscheiper Ehrsen,
August Gröppel N 91 Oerlinghausen,
Konrad Römer Nalhof,
Schmied Karl Weber Langenholzhausen,
August Schukmann Wüsten,
Kolon Johann Henke oder Göke und Sohn N 85 Brakelsiek,
Heinrich Bax N 22 Jerxen,
Ernst Ebker N 3 Jerxen,
Karl Reese Barntrup,
Wilhelmine Rekate von N 10 Bremke,
Bödeker N 45 Alverdissen und dessen Ehefrau,
Johann Dingersen Anerbe zu N 33 Lockhausen mit Frau und 2 Kindern,
Seiler Peter Rappold Lipperode,
Friedr. Kronshage Hummersen,
Kol. Feldschneider N 13 Heesten,
Schmied Rud. Brüggemann, dessen Sohn und Tochter,
Glaser Heinrich Schäfer und Frau,
Tischler Heinrich Epmeier Salzuflen,
Friedr. Sprenger Bega,
Bäcker Karl Strahtmann Salzuflen,
Kol. Geise N 24 Bellenberg,
Stock N 87 Lage,
Kol. Oberlag N 8 Schönhagen,
Heinr. Hilker Almena und Frau,
Tischler Ernst Epmeier und Karoline Epmeier Salzuflen.

Diese Liste nennt 122 Personen, gewiß eine stattliche Zahl. Bedenken müssen wir dabei, dass auch jene Zeit, wie unsere Zeit, Notzeit war. Jahre von Mißwachs und Teuerung waren gewesen, das „tolle“ Jahr 1848 war eben vergangen. Da verstehen wir`s, wenn mehr als sonst der Lipper zum Wanderstabe griff. Bis März 1849 haben sich 103 Wanderlustige bei ihren Aemtern abgemeldet, der Rest folgte im laufe des Sommers. Wohin die Auswanderung wohl ging? Viele suchten vielleicht in Kalifornien ihr Glück. Denn 1848 waren dort reiche Goldfelder entdeckt worden. Und unser alter Band selbst enthält einen diesbezüglichen Fingerzeig. Die Meyersche Hofbuchhandlung empfiehlt nämlich zwei Bücher über Kalifornien: „Kaliforniens Gold- und Quecksilber-Distrikt“ von Fr. Gerstäcker und „Kalifornien und seine Goldminen“ für „Auswanderrungslustige“. Ueber den Reiseweg unserer Landsleute bis ans Meer vermag uns eine Anzeige der „Vereinigten Weser-Dampfschiffahrt“ Aufschluß zu geben, die mehrfach wiederkehrt. Im Auszuge sei sie darum mitgeteilt.
„Zur Beachtung für Auswanderer.“
Die Dampfschiffe der vereinigten Weser-Dampfschiffahrt fahren täglich von Hann. Münden bis Hameln, am anderen Tage nach Pr.Minden. Von dort werden die Auswanderer an demselben Tage, an welchem sie anlangen, nach Bremen zu Schiff oder auf der Eisenbahn befördert. Der Preis bis Pr.Minden ist incl. 40 Pfund Gepäck 1 Rthl. 8 Grg. Von Han.Münden; 1 Rthl 1 Grg. Von Carlshafen. Uebergewicht per Zentner 9 Grg. Von Pr.Minden ab zahlen die Auswanderer bis Bremen, wenn sie zu Schiff expediert werden, 16 Grg. Incl. 100 Pfund Gepäck, wenn per Eisenbahn 17 Grg. Incl. 100 Pfund Gepäck.
Hameln, den 10ten März 1849 Die Direktion.
So ist der Reiseplan also fertig, die letzten Geschäfte in der Heimat sind abgewickelt, alles ist bereit. Zu Fuß oder zu Wagen geht`s mit Sack und Pack über Berge und Hügel der Weser zu. Freunde und Verwandte geben den Auswanderern das Geleit. Nun liegt der letzte Höhenzug der Heimat hinter ihnen, der Weserstrom blitzt auf. Schon wartet das Schiff, das alle aufnimmt. Freunde winken letzte Grüße.

Ich kann den Blick nicht von euch wenden,
ich muß euch nachschaun immerdar,
wie reicht ihr mit geschäft`gen Händen
dem Schiffer eure Habe dar! - -
Der Bootsmann winkt. – Zieht hin in Frieden !
Gott schütz euch, Mann und Weib und Greis!
Sei Freude eurer Brust beschieden
Und euern Feldern Reis und Meis! - -

Immer kleiner wird das Schiff und verschwindet im Nebel. Und Menschenschicksale verlieren sich im Nebel. Wird`s eine Glücksfahrt? Geht`s in Not und Tod? Wer kann es sagen!