Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Lipper in Amerika
Hermann Heinrich Dohmeier und Leopold Gast

Ueber „Lipper in Amerika“ möchte der Dorfkalender ab und dann Nachrichten bringen und bittet der Schreiber dieser Zeilen alle diejenigen, welche genauere Kunde über das Leben und die Niederlassungen von Lippern in Amerika haben, ihm getrost Mitteilung zu machen. Für dieses Mal gestattet der Raum nur kurze Mitteilungen über zwei Landsleute, die im Laufe dieses Jahres vom Herrn heimgerufen wurden. Da beide in weiteren Kreisen jenseits des großen Wassers gekannt geworden, so denke ich, wird es auch die Leser des Dorfkalenders in der alten Heimat interessieren, über ihr Leben und Lebenswerk etwas Näheres zu erfahren. Der eine der Beiden, Leopold Gast, wurde am 11.März 1810 in Belle bei Schieder geboren und starb am 04.März 1874 (1894/99?) zu St.Louis im Staate Missouri. Er selbst hat vor etlichen Jahren in einem zweibändigen Werke von mehr als 1000 Druckseiten (T. Bertelsmann, Gütersloh) seine bewegten Lebensgeschichte ausführlich beschrieben. Wenn man mit Recht gesagt hat, dass es schon darum besonders schwer sei, eine wirklich gute, d. h. doch vor allem auch wahre Selbstbiographie zu schreiben, weil man so leicht der Selbstbeschönigung verfalle, so bildet in diesem Stück das Buch von Gast eine rühmliche Ausnahme. Es wirkt durch die Wahrhaftigkeit des Verfassers, die auch die eigenen Fehler und Sünden nicht verschweigt. Eben um deswillen kann man auch manche einseitige und schiefe, ja mitunter harte Urteile über andere Personen, wie über kirchliche und politische Verhältnisse seiner alten Heimat wohl tragen, zumal der Verfasser selbst in der Vorrede des 2.Bandes sein aufrichtiges Bedauern hierüber ausspricht. Aber wer ist Leopold Gast? Der Sohn des Schlossermeisters oder Kleinschmied Friedrich Gast zu Belle und seiner Ehefrau Amalie Kessel aus Maspe bei Blomberg. Er war der mittelste von 11 Geschwistern, aber offenbar der begabteste und strebsamste unter allen. Da sich früh seine Veranlagung zum Zeichnen entwickelte, so war sein höchster Wunsch, Maler zu werden. Aber woher die Mittel nehmen, wie die Wege finden? Es war ein wunderbarer Weg, den er gleich zuerst geführt wurde. Als Schüler am Gymnasium zu Detmold kam er um eines Jugendstreiches willen für kurze Zeit ins Strafwerkhaus und eben dort lernte er die Anfänge der lithographischen Kunst. Nach seiner Entlassung hat er sich ihr mit rastlosem Eifer weiter gewidmet und Gott hat es ihm gelingen lassen. Von seinem 18. Jahr an nahm er längeren oder kürzeren Aufenthalt in Münster, Elberfeld, Bielefeld, Bremen, Hannover, Merseburg, Berlin, Halle. Durch einen Schüler Tholuck`s, einen alten Freund und Jugendgespielen aus Berlin, Wilhelm Brandt, wurde er mit den pietistischen Kreisen der damaligen Zeit bekannt. Der Baron von Kottwitz, Tholuck, Ahlfeld, Stier und manche andere traten ihm persönlich nahe und wurden ihm befreundet. In Merseburg fand er 1840 seine Lebensgefährtin, eine gleichgesinnte Predigertochter. Im Revolutionsjahre 1848 verkaufte er seine eigene lithographische Anstalt zu Halle s/S., um als Farmer nach Amerika auszuwandern. Nach siebenwöchiger Fahrt mit einem Segelschiffe kam er in St. Louis an. Das Farmen wurde ihm von allen, die er kennen lernte, ausgeredet und er wandte sich wieder seiner lithographischen Kunst zu. Schon nach 2 Jahren eröffnete er mit seinem Bruder August eine eigene lithographische Anstalt in St. Louis, die sich bald zu einem der bedeutendsten Geschäfte der Stadt entwickelte. Außer Zeichnungen zu wissenschaftlichen Werken war es besonders die Herausgabe kirchlicher Scheine für Taufe, Konfirmation und Trauung, die seinen Namen in Amerika bekannt gemacht hat. Mit biblischen Bildern und Symbolen geschmückt gehören die Gast`schen Scheine noch heute zu den besten und künstlerisch schönsten, was Amerika auf diesem Gebiete aufzuweisen hat. Im Jahre 1860 machte Gast eine längere Reise nach Deutschland, natürlich auch in seine Lipper Heimat, wo er vieles so ganz anders fand als in seiner Jugend.
In seinem 75.Jahre verkaufte er sein Geschäft, da ihm die Arbeit bei der außerordentlichen Ausdehnung zu viel und zu schwer geworden. Den Abend seines Lebens verbrachte er auf dem Landgute Hornsby bei St. Louis, wo er auch im Jahre 1890 die goldene Hochzeit feiern durfte im Kreise seiner Kinder, Enkel und Urenkel.
Welcher Sinn ihn beseelte, deutet schon der Titel seiner oben erwähnten Selbstbiographie an: Ein Gast auf Erden und sein Pilgerlauf in der alten und neuen Welt. Jetzt ist der Gast auf Erden ein Bürger im Himmel und Gottes Hausgenosse.

http://www.lippe-auswanderer.de/AuswandererLippe-USA/html/p009468.htm

Dasselbe dürfen wir sagen von dem zweiten Lipper in Amerika, von dem wir heute berichten wollen, Hermann Heinrich Dohmeier, Oekonomen des Missionshauses zu Sheboygan im Staate Wisconsin. Er wurde am 8. April 1814 zu Langenholzhausen geboren. Nie hat er einen Hehl daraus gemacht, dass er in seiner Jugend nach der Welt Weise gelebt und dem Branntwein ergeben war. Der Verlust seines linken Armes wurde ihm zum Segen. Die damalige Erweckung im Lande ergriff auch ihn und er wurde ein entschiedener Christ. Anfangs nur schüchtern, bald aber frei und mutig, hielt er sich zu den Versammlungsleuten. Als er einst an dem neu umgebauten Wirtshause vorbeiging, dessen häufiger Gast er früher gewesen war, stand die Wirtin in der Thür und lud Heinrich ein, doch einmal wieder einzutreten. Er aber sah erst das neue Haus und dann die Wirtin an. „Siehst Du, dieses neue Haus habe ich Dir bauen helfen, ich sollte denken, das sei genug“, sprach`s und ging ruhig vorüber. Bis zu seinem 45. Lebensjahre arbeitete er auf der Domäne Varenholz. Dann sehnte er sich nach seinen Verwandten und Landsleuten in Amerika. Im Jahre 1859 kam er dort an. 7 Jahre hat er treu seinen Dienst am Missionshause und 30 Jahre seinen Kirchendienst versehen. Im ganzen lebte er unverheiratet 32 Jahre bei seinem Neffen S. Dohmeier sen., wo er zuletzt noch vieler Pflege bedurfte. Am 22.Juli 1898 ist er im Alter von 84 Jahren sanft und ruhig im Glauben an seinen Heiland entschlafen. Die Grabrede hat man ihm über Römer 8, 37 gehalten: „Aber in dem allen überwinden wir weit und deswillen, der uns geliebet hat!“ So viel für dieses Mal über „Lipper in Amerika“. Im nächsten Dorfkalender, so Gott will, mehr.
A. Schmidt, P. Vlotho a. W.

http://www.lippe-auswanderer.de/AuswandererLippe-USA/html/p004330.htm#P4330

Aus Lippischer Dorfkalender 1899 Seite 96 - 98
Abgeschrieben : Wolfgang Bechtel

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