Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Menschen vom lippischen Boden

Größter Lipper in der „Neuen Welt“: Präsidentenberater Reinhold Niebuhr

Neues Buch „Westfalen in Amerika“ mit zahlreichen lippischen „Heroes“ – Vermutlich erster Lipper in der Neuen Welt: Heinrich Küster aus Blomberg – Emil von Donop kämpfte 1777 gegen George Washingtons Truppen

Kreis Lippe. Bürgermeistersohn Heinrich Küster aus Blomberg segelte 1693 in die „Neue Welt“ und war damit möglicherweise der erste Amerikafahrer aus Westfalen-Lippe. 1777 landete ein weiterer Lipper aus gutem Hause auf amerikanischem Boden:
Oberst Emil von Donop mit einem aus Lippern und Hessen rekrutierten Söldner-Regiment, um im Auftrage Englands am Delaware River ein Fort der aufständischen amerikanischen Truppen George Washingtons zu stürmen – wobei er selbst und viele seiner wackeren Lipper ihr Leben verloren.

Pastor Gustav Niebuhr
Pastor Gustav Niebuhr
Gut weitere 100 Jahre später: 1881, wanderte Gustav Niebuhr vom Hof Hardissen Nr. 6 in Lage nach den U.S.A. aus und wurde dort Pastor. Dessen Sohn Reinhold Niebuhr schließlich machte als führender Moraltheologe der Staaten im 20. Jahrhundert sowie Ethikberater der US-Präsidenten Roosevelt, Eisenhower, Truman und Johnson kontinental Karriere und gilt nach Ansicht des Nestors der deutschen Auswanderungsforschung in U.S.A., Professor Dr. Walter Kamphoefner (Texas A&M-University) „als wohl bedeutendster Westfalen-Lipper in der Neuen Welt“.
Die Geschichte all dieser lippischen „Heroes“ hat der in Bad Salzuflen geborene Journalist und Auswandererforscher Friedrich Schütte (Löhne) in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen und soeben in einem neuen Buch unter der Überschrift „Westfalen in Amerika“ veröffentlicht. Verbunden mit einer Darstellung der sozialen und politischen Gründe, allem voran Massenarbeitslosigkeit, die 300.000 Westfalen (darunter 20.000 Lipper) zwischen 1830 und 1900 zwangen, in die „Neue Welt“ auszuwandern.
Dabei konnte sich der Autor, was das alte Fürstentum Lippe anbelangt, auf gründliche Vorarbeit zahlreicher lippischer Heimatforscher, allen voran Fritz Verdenhalven, stützen.
„Was in Lippe bisher jedoch zu kurz gekommen ist, das sind Lebensbilder prominenter Persönlichkeiten unter unseren Amerikafahrern“, erklärt der Autor bei Vorstellung des Buches. „Und Lippe hat, neben dem weltberühmten Auswanderersohn Professor Reinhold Niebuhr, noch erstaunlich viele andere, große Amerikaner hervorgebracht!“
Friedel Schütte präsentiert seine „Heroes“ in zahlreichen spannenden Einzelreportagen. Zum Beispiel Julius Vordtriede (1820 – 1899) aus Heiden bei Lage: Sprachlehrer, Teilnehmer der missglückten Revolution von 1848 in Berlin; in Gütersloh untergetaucht, 1850 Flucht nach New York, Lehrer, Journalist und Zeitungsverleger in Toledo und Buffalo (Ohio), als Politiker u.a. Redakteur der neuen Verfassung des US-Bundesstaates New York.
Autor Schütte: „Als ich bei Archivstudien in den U.S.A. rein zufällig auf diesen in Enger geborenen, aber in Lippe aufgewachsenen Deutschamerikaner traf und in Lippe nachfragte, kannte den hier niemand. Erst bei Durchsicht lippischer Auswandererakten stieß ich im NRW-Staatsarchiv auf einen Brief Vordtriedes an seinen verwaisten Neffen in Heiden.
Dieser öffnete mir zunächst den weiteren Weg der Vordtriedes zu politischen Leidensgenossen in Gütersloh und Herford und schließlich in ihre neue Heimat an den Oberen Seen der U.S.A.!“
US-Präsidentenberater Reinhold Niebuhr
US-Präsidentenberater Reinhold Niebuhr

Denn bis zum Jahre 2003 sei von Amerikafahrer Julius Vordtriede hierzulande nichts bekannt gewesen. Und auch die wenigen, lückenhaften Daten aus den Archiven hätten noch kein Bild ergeben. Erst bei Recherchen über andere ostwestfälische „Achtundvierziger“ und demokratische Freunde wie David Groneweg (Gütersloh), Wilhelm von Laer (Herford), Friedrich Kapp (Hamm) und Hermann Kriege (Lienen) habe sich Stein für Stein mosaikartig das Lebensbild des großen Lippers Julius Vordtriede in der „Neuen Welt“ geformt. Wobei Schütte einräumt: „Ich habe stets journalistisch recherchiert. Eine präzise wissenschaftliche Vordtriede-Forschung steht noch aus. Doch das müssen andere tun!“
Dann die katastrophale Massenauswanderung von 112 Langenholzhausenern 1847 nach „Neu Lippe“ Wisconsin. Chef dieser transatlantischen Segelpartie mit unsicherem Ausgang: Bauer Friedrich Reineking. Wie die Überlebenden drüben in Sheboygan County in Siedlungen wie „Hermann“ oder „Detmold“ eine neue, bewusst lippisch reformierte Heimat schufen und „Mucker“ genant wurden, weil sie so fromm waren. Und so weiter .... .
Oder der Schäfer August Kuhlenhölter aus Wüsten. Der drüben Pastor wurde, in Quincy Illinois die erste reformierte lippische Gemeinde bildete und weitum als Vater zahlreicher weiterer, lippischer Einwanderergemeinden gilt. Ebenso wie Pastor August Schmieding aus Valdorf, den eine Lemgoer Gazette („Der Volksfreund“) 1860 wegen einer Frauengeschichte derart öffentlich „fertig machte“, dass er nach Amerika floh und hier ebenfalls ein gefeierter Gemeindegründer, Einwandererpastor und Moralprediger im Sinne der Ravensberger Erweckungsbewegung wurde.
So wie US-Präsidentenberater Reinhold Niebuhr, machte auch Professor Dr. August Hermsmeier-Wittenborg (1883 – 1941) aus dem lippischen Matorf im 20. Jahrhundert in Nordamerika eine große medizinische und wissenschaftliche Karriere. Als junger Mann hatte sich August Wittenborg 1905 seinem Onkel Martin Wittenberg aus Hannover auf dessen Weg nach Amerika angeschlossen. Der gute (vermögende) Onkel ermöglichte seinem Neffen August drüben nicht nur einen guten persönlichen Start, sondern auch ein erstklassiges medizinisches Studium.
August Wittenborg wurde als Jahrgangsbester Arzt, promovierte mit Auszeichnung und trat in Memphis in die medizinische Forschung ein. Bald setzte Wittenborg als Gründer und Chef des Anatomischen Instituts der Universität Memphis für Forschung Lehre seines Fachs amerikaweit Akzente, war jahrzehntelang auf dem ganzen Kontinent unter dem Kürzel „Old Witt“ ein prominenter Experte seines Fachs „und schrieb amerikanische Medizingeschichte“, wie es in einem US-Fachmagazin heißt.
Damit nicht genug der mezinischen Ehren im US-Clan der lippischen Wittenborgs: Sohn Martin Wittenborg wurde ebenfalls Mediziner, aufgrund seines überragenden ärztlichen Könnens bald Chef der größten Bostoner Kinderklinik und auf dem Höhepunkt seiner Karriere führender Professor für Medizin an der weltberühmten Harvard University.
Übrigens hat sich die Schwester des berühmten Harvard-Professors Martin Wittenborg, Ida Wittenborg, anlässlich eines Urlaubsaufenthalts auf dem Bauernhof ihres Großvaters August Hermsmeier-Wittenborg in Matorf, unsterblich in den Nachbarsohn Werner Führing verliebt. Ergebnis: Amerikanerin Ida Wittenborg wurde glückliche Frau Führing und war, wie ihre Nachfahren heute noch rühmen, bis ins hohe Altern eine tüchtige, begeisterungsfähige und zupackende lippische Bäuerin!
Das Buch „Westfalen in Amerika“ (248 S., über 100 Bilder) ist im Landwirtschaftsverlag GmbH Münster unter der ISBN-Nummer 3-7843-3356-7 erschienen und kostet € 34,95.

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