Von den Auswanderern welche im May. d. J. mit dem Schiffe Virginia nach Amerika segelten, und unter denen sich mehrere unsere Landsleute befanden, langen jetzt allmälig Nachrichten an. Das Nachstehende ist ein Auszug aus einem Schreiben, das kürzlich von einem der ausgewanderten hier eingegangen ist.
Detroit, 16. Sept. 1835
Am 13. May um 2 Uhr Nachmittags fuhren wir mit einem Dampfschiffe nach Bremerhafen, eine Strecke von 12 Stunden, die wir in 4 Stunden hätten zurücklegen können.
Das Dampfschiff nahm aber zu Vegesack ein neu gebautes dreimastiges Schiff, noch ohne Segel, in`s Schlepptau und dieß hielt so sehr auf, dass wir erst um 9 Uhr zu unserm Schiffe Virginia kamen. Noch dazu wären wir beinahe in der Weser ertrunken. Beim Losmachen der Seile, worin das Schiff mitgeschleppt wurde, kam nämlich eins in das Rad der Maschine; ein scharfes Instrument, das Seil abzuschneiden, war nicht gleich da; das Schiff drehte sich daher mit aller Kraft nach dem Ufer, und würde in tausend Trümmer zerschellt seyn, wenn nicht noch eben zur rechten Zeit das Seil mit einer Axt zerhauen wäre; wir waren kaum 2 Fuß vom Ufer entfernt. Bis zum 16. May blieben wir in Bremerhafen, Nachmittags 3 ½ Uhr, mit zurücktretender Fluth, fuhren wir aus dem Hafen durch die Schleusen. Ein Lotse kam an Bord und brachte uns bei günstigem Wetter während der Nacht aus der gefährlichen Weser in die Nordsee.
In zwei Tagen durchsegelten wir die Nordsee, 100 deutsche Meilen; in einem Tage die Hälfte des Canals, 50 d. M.; da bekamen wir schlechten Wind und kreuzten bis zum 27. May auf der anderen Hälfte. Nun hatten wir noch 1000 d. M. bis Newyork. Die Luft wurde immer kälter, war feucht und häufig neblig; der Wind selten günstig; mehrere Male Sturm. So kamen wir bis zum 6. Juny, Sonnabend vor Pfingsten, bis 150 M. von der Fundlandsbank, unter dem 31. Grad der Länge und 48 Grad der Breite. Hier überfiel uns ein heftiger Sturm; Wellen wie Berge hoben das Schiff wie eine Feder in die Höhe; dann schoß es wie ein Pfeil in den Abgrund; Niemand konnte, ohne sich festzuhalten, sitzen, liegen oder stehen; was nicht festgebunden oder genagelt war, polterte durch ein ander; es war ein furchtbar schönes Schauspiel, was bis Pfingstmorgen 5 Uhr fortwährte. Dabei war es sehr kalt, am ersten Pfingsttage schneite es. Am 17. Juny kamen wir auf die Fundlandsbank, im 46. Grad der Breite; hier wurde es unerträglich kalt. Die Matrosen arbeiteten in Handschuhen und sagten, sie hätten im December auf der letzten Reise kein solche Kälte gehabt. Zugleich trat ein so dichter Nebel ein, daß man nicht 5 Schritte weit sehen konnte und alles durchnäßt wurde. Dieß währte 8 Tage ununterbrochen fort. Da auf der Fundlandsbank mehrere hundert Schiffe aller Nationen in dieser Jahreszeit den Kabeljau oder Stockfisch fangen, so wurde auf unserem Schiffe Tag und Nacht geläutet und geblasen, um uns bemerklich zu machen und kein Schiff in den Grund zu segeln, und doch war dieß Letztere einige Male nur mit der größten Anstrengung zu vermeiden. Wir hatten das Glück, ein ganz vorzügliches Schiff, einen vortrefflichen Mann, Crudop, als Captain und sehr freundliche, gutmüthige Matrosen zu haben. Die Lebensmittel waren ohne Tadel und im Ueberfluß vorhanden, was zwar stets seyn soll, aber nicht immer ist, wodurch die langweilige Reise noch beschwerlicher wird. Am 2. July sahen wir High Land, Hochland, zu unserer großen Freude, und legten uns an der Küste des Abends vor Anker, am Eingange in den Hafen von Newyork. Es kam ein Lotse an Bord, um uns in den Hafen zu bringen; der Wind war aber ganz ungünstig; wir mussten deshalb warten bis den anderen tag um 8 Uhr, da trat die Fluth ein, und mit ihrer Hilfe lavierten wir in den Hafen bis zum Quarantaine-Platz, eine Meile von Newyork, zwischen Staten-Island und Long Island, wo wir zwei Tage Qurantaine halten mussten. Einen schöneren malerischeren Anblick, wie diese Länder darbieten habe ich nie gehabt. Die Ufer steigen allmälig bis zu den Bergen und sind den herrlichsten üppigsten Gartenanlagen und mit den prachtvollsten Gebäuden ganz bedeckt. Auf den Wassern fahren unzählbare Dampfschiffe auf und ab, immer voll Menschen, die größtentheils von Newyork herüberkommen. Die reichen Newyorker haben hier ihre Villen. Am 4. feierten die Amerikaner ihr Befreiungsfest. Abends wurden an beiden Seiten des Wassers die kostbarsten Feuerwerke abgebrannt, und Alles war auf`s Herrlichste illuminiert. Der Glanz der Lichter spiegelte sich in dem klaren, glatten Wasser, Kanonendonner hallte von allen Seiten wieder, Raketen stiegen n die Luft; die vielen tausend Schiffe im Hafen flaggeten, und waren ebenfalls am Abend, wie die ungeheuere Stadt Newyork im Hintergrunde, illuminiert, was vom Schiffe gesehen, sich wie ein großes Feuermeer darstellte. So wie wir in Amerikas Nähe kamen, hatten wir da schönste Wetter, die Luft war sehr warm und so schwer und glänzend, dass wir nicht aufblicken konnten; dieß sehr warme, aber heitere Wetter behielten wir bis hierher. Bis zum 8. July blieben wir in Newyork. Von dieser Riesenstadt, ihren prachtvollen Gebäuden, ihren ungeheuren Warenlagern aller erdenklichen Art, dem Leben und Treiben auf ihren breiten geraden und endlosen Straßen u.s.w. erzähle ich Euch ein andres Mal ausführlicher. Die Stadt soll gegenwärtig 250000 Einwohner haben; 200 Dampfschiffe kommen oder gehen beständig, und sind immer voll von Menschen. Die Straßen sind mit den schönsten Häusern besetzt. Von einem dieser Häuser, an welchem man noch baute, wurden die Baukosten auf 1 ½ Millionen Dollars angeschlagen; und dieß Haus lässt ein deutscher Jude bauen, der anfangs mit alten Kleidern und dann mit Pelzwerk und Ländereien gehandelt hat, und dessen Vermögen jetzt auf 28 Millionen Dollars angegeben wird.
Nr. 34, 25.11.1835; Sp. 542 ff.
Detmold
(Schluß des Schreibens aus Detroit)
Am 8. bestiegen wir das Dampfschiff, das uns nach Albany bringen sollte; wieder ein wahrer Palast. Denkt Euch ein Gebäude von drei Stockwerken, die beiden oberen auf Säulen, 200 Fuß lang, 60 Fuß breit; der untere Raum ist die Cajüte für Herren, der mittlere Raum für die Damen, der obere zum Spazierengehen. In den Cajüten sind alle Meubles von Mahagoni, die Wände Spiegel, die Fenster von geschliffenem Spiegelglas, der Fußboden mit kostbarsten Teppichen belegt, die Vorhänge vor den Schlafstellen von den dicksten seidenen Damast in roth und gelb, die von Bronce gehalten werden, die Speisen vortrefflich, ein halbes Dutzend Neger zur Aufwartung, ein Wink und mein Wunsch ist erfüllt.
Von Newyork gings den Hudson hinauf bis Albany; von Albany 346 engl. M. auf den Erie-Kanal ein wahres Riesenwerk, in einem Kanalboot, ebenfalls prachtvoll, nur klein, bis Buffalo; von da in einem Dampfschiffe über den 300 engl. M. langen schönen Erie-See, den Detroit Fluß hinauf bis Detroit. Hier kamen wir am 19. July Abends 10 Uhr an. Die ganze Reise gieng durch unbeschreiblich schöne Gegenden, sie sind und werden noch immer mehr angebaut; die Städte wachsen hier wie die Pilze, und an den Ufern ist es, als ob man durch eine einzige endlose Stadt reisete. Alles zeugt von Wohlhabenheit; Bettler sah ich nirgends.
Der Kanal führte durch Berge und Thäler. Bei Lockport schifften wir einen thurmhohen Felsenberg hinauf durch fünf über einander angelegte Schleusen. Als wir oben waren, ging es 4 bis 5 engl. Meilen weit durch einen Felsenberg, in welchem der Kanal an einigen Stellen wie die Externsteine tief eingehauen war; ein wahres Riesenwerk.
Wir wohnen in einer der schönsten Gegenden, vor uns der herrliche Detroit-Fluß, am jenseitigen Ufer die Stadt Detroit, wo fortwährend Dampf- und andere Schiffe von den größten bis zu den kleinsten, ankommen und abgehen. Unsere Gärten, Ländereien, Wiesen und Kämpe liegen um und hinter dem Hause, dann kommt Waldung, worin gute Weintrauben, Aepfel, Pflaumen, Nüsse in Masse wachsen.; hier werden unsere Kühe, Ochsen, circa 24 St., 18 St. der schönsten Pferde, eine große Menge Schweine und Schafe; Alles ist eingezäunt. Der Boden ist fruchtbar. Wir haben Mais von 15 Fuß Höhe in ungedüngter Erde. Die Aerndte ist gewöhnlich im July schon beendigt. Zu Fuße geht hier Niemand; Männer, Frauen, Knaben und Mädchen reiten beständig vor unserm Hause vorbei oder fahren. Wir leben wie im Paradiese. Vom Charakter der Amerikaner kann und mag ich Euch noch nichts schreiben; man kann sich irren; einen Hauptzug aber haben sie und sehr in die Augen fallend, dieser ist; auf Alles zu speculieren; was schnell und ohne viel Mühe Geld einbringt. Statt vieler Belege nur einen, wie raffiniert sie sind. Vor einiger Zeit war ich in Detroit und sah einen großen schönen Wagen in den Straßen herumfahren, große Thüren zu beiden Seiten offen, inwendig ein Tisch mit Speisen und Getränken besetzt; es sprangen Menschen hinein, aßen und tranken, ließen sich fahren bis an den Ort, wohin sie wollten, sprangen dort wieder hinaus, und so fährt dieß wandernde Wirthshaus von Straße zu Straße und hat immer Gäste. Könntet ihr nur einmal im Jahre bei uns seyn und Euch mit uns über die wunderschöne Gegend freuen!
Die Abende sind hier über alle Beschreibung schön; nie im Leben sah ich die Sonne so schön untergehen, wie hier. Die Fronte unseres Hauses liegt nach Westen, die Sonne senkt sich hinter dem spiegelglatten ¾ Meilen breiten Flusse und malt sich darin mit den schönsten Farben in allen Schattierungen, das schöne Detroit und die üppigste Gegend wie vergoldet dahinter. Der Fluß wimmelt von Fahrzeugen aller Art und Fische springen Ellen hoch aus dem Wasser.