Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Brief von Heinrich Meierarend vom 15.1.1858
aus Farmington bei Watertown, Jefferson, Wisconsin

Ernst-Günter Meierarend

Vorwort
Der Verfasser Heinrich Philipp Meierarend wurde am 4.9.1824 auf dem Hof Meierarend in Sibbentrup, Nr. 1 der Bauerschaft Bega, geboren. Sein Vater, Christoph Meierarend geb. Betzenmeier aus Betzen, war seit 1819 in 2. Ehe mit Sophie Meier aus Altendonop verheiratet. Heinrich war der 2. von 3 Söhnen aus dieser 2. Ehe. Nach dem Tod seines Vaters 1832 heiratete die Mutter noch im gleichen Jahr Friedrich Reese vom Reesenberg. 1847 heiratete sein Halbbruder Christoph Meierarend, der Anerbe aus der ersten Ehe, Elisabeth Krop und übernahm den Hof. Heinrichs älterer Bruder Friedrich konnte 1851 auf Lesemanns Hof in Sibbentrup einheiraten.
Heinrich mochte auf solch einen Glücksfall nicht warten. Er hatte als nachgeborener Sohn keine Perspektive hier in Lippe. Aus Bega und Umgebung waren schon mehrere Personen nach Watertown ausgewandert. So entschloss er sich, im Herbst 1852 das Gleiche zu tun. Im Fürstl. Lipp. Reg.- und Anzeige-Blatt von 1852, Nr. 38 wurde mit Datum vom 15.9. sein Wunsch veröffentlicht. Von der Überfahrt, der Ankunft in Amerika und dem Eintreffen in Watertown liegen mir keine Informationen vor.
Heinrich gründete in Farmington, südlich von Watertown, eine kleine Farm (27 Acker). Er heiratete am 20.3.1855 Theresa Rosa Vincenz, geboren am 22.6.1836 in Noerseburg, Sachsen.
In seinem Brief vom 15.1.1858 an seinen Halbbruder Christoph Meierarend, berichtet er von seinem Auf- und Ausbau der Farm. Sein Bruder Friedrich Lesemann hat ihm mitgeteilt, dass sich in Sibbentrup die Eltern und Geschwister Sorgen wegen der aufgenommenen Gelder machen. Heinrich will in seinem Brief die Angehörigen daheim beruhigen. Er schildert ihnen die Gründung und den Ausbau der kleinen Farm und erläutert ihnen, warum es sinnvoll und keineswegs risikoreich war, dafür Geld aufzunehmen und Schulden zu machen. Er fragt nach, ob sein Erbteil nachträglich höher angesetzt und ihm noch etwas Geld überwiesen werden könnte. Deutlich kommt im Brief die pietistische Grundhaltung zum Ausdruck, die in der heimatlichen Kirchengemeinde Bega stark verankert war.
1863 schickt Heinrich eine Aufnahme (Daguerreotypie) von sich, seiner Frau und den ersten 4 Kindern zu seinen Angehörigen nach Sibbentrup.
Zwischen Frühjahr 1869 und Sommer 1870 zieht Heinrich mit der ganzen Familie nach Davis Township, County Lafayette, State Missouri um. Der Grund hierfür ist nicht bekannt. 6 Kinder wurden in Watertown und 3 in Davis geboren. Ein weiteres Foto zeigt Heinrich und Therese um 1905 im hohen Alter vor ihrem Haus. Therese stirbt am 29.1.1909 und Heinrich am 18.11.1912 in Higginsville, Lafayette MO. Sie werden auf dem Friedhof Higginsville Cemetery beigesetzt.
Wir wussten von Heinrich bis auf den Brief und das Foto nichts. Durch Zufall fand mein Sohn Reinhard 1998 im Internet Seiten der Miller-Family-History, auf denen ein Nachkomme von Heinrichs Sohn Frank Angaben zu seinen Vorfahren bis hin zu Heinrich bereitgestellt hatte.
Die Nachkommen von Heinrichs Sohn Julius leben heute noch im Raum Jackson/Lafayette östlich von Kansas City. Zu diesen Trägern des Namens Meierarend in Amerika konnte ich 2006 eine Verbindung herstellen und auch diese Linie bis zu Heinrich zurückverfolgen.

Der Brief

Seite 1

Lieber Bruder!

Da ich soeben, Euren Brief, welchen unser Bruder Lesemann, d 20 ten December vorigen Jahres, an mich geschickt hatt, erhalten habe, und ich jetzt durch einen kleinen Unfall an schwerer Arbeit, und Gehen verhindert bin, indem ich mich vor 8 Tagen beim Behauen eines Troges, mit der Axt in den Fuß gehauen habe, doch nicht sehr gefährlich, so will ich jetzt gleich wieder schreiben. Es freuet uns, das ihr noch alle gesund waret, und hoffen daß Euch auch dieses Schreiben bei Gesundheit und Wohlstand antreffen wird.
Gott, und seinen Frieden in Jesu, zum Gruße;
Da ich aus den letzten Schreiben vernehme daß Ihr Euch über unsere verhältnisse, wegen unserer Schulden, besorgnisse macht, als ob wir in Gefahr, alles zu verlieren wären, so will ich die Ursachen und angelegenheiten näher beschreiben wodurch sich meine Schulden in diesen letzten 2 Jahren um 2/3 vermehrt haben. In diesen letzten 2 Jahren habe ich 20 Ackers Land Urbar gemacht welches an Arbeitslohn $200,00 Dollahrs kostet, indem ich mit meinen Knechte Arbeit am Acker und Befriedigungen hatten; mein Knecht erhält jeden Monat $12,00 Dollahr, welches in dieser zeit nur ein ördinärer Lohn war, Ein Paar Ochsen gekauft für $130,00 Dollahr 3 Pferde für $350,00 Dollahr wovon 1 Tod, Einen Pferdestall und Fruchtkammer gebaut $30,00 Dollahr; Diese Ausgaben wiederholen sich nicht, ausgenommen Zinsen.
Ich erinnere mich noch daß, ich vor 2 Jahren bemerkte, das ich nicht so viel mehr anwenden wollte und somit der Hoffnung war bald wieder Schuldenfrei zu werden; sah aber nachher ein daß ich bei der damaligen Wirtschaft, nicht mehr aufbringen konte das ich kaum einen Knecht halten konte, und da gerade mein bestes Land noch Unkultifirt lag, so entschloß ich mich, auf Anrahten mehrerer meiner Amerikanischen Nachbaren, welche auf ähnliche Weise verfahren haben, das änliche zu machen welches mich bis jetzt noch nicht gereuet , weil ich nun mit einen Knechte, da die Befriedigungen alle gemacht sind, meinen Acker wenn uns der Herr Gesundheit, schenkt, wie er bisher gethan, (Dank sei ihm dafür) gut versehen kann; und so jetzt bei mitler Ernte und Preisen, besser $1500,00 als wie bei den Verhältnissen

Seite 2

vor 2 Jahren $500,00 abzutragen im Stande bin;
Das Geld habe ich nicht von Wucherern $300,00 habe ich von einen Pommern auf noch mehrere Jahre zu 10 Prc. $700,00 von meinen Schwiger=Vater Franz Vincenz welcher seinen Farm verkauft hatt, und das Geld vor sich behält so lange er lebt zu 10 Prc welches dan unter seine Kinder Vertheilt wird; Er hatt vor 6 Jahren seine Frau durch den Tod verlohren, und nachher auf einen andern Farm Geheiratet, seine jetzige Frau hatte 3 Kinder 2 von ihren ersten Gatten 1 von ihren zweiten Gatten; Hansmeier; Sölter in Sibentrup seiner Frau ihr Bruder; für die ersten zwei welchen dass Grundstück gehört, bin ich von denselben, und den Waisen-Richter als Vormund, gewählt. $500,00 habe ich von meinen Schwager welcher bei mir als Knecht gedint hat auf 1 Jahr zu 10 Prc:
Diesen Herbst habe ich den Farm, meines Nachbars Schlatrie gerentet, auf ein Jahr, auf welchen ich 11 Ackers oder 23 Schfls Sommer=Weitzen bestellen und 6 bis 7 Ackers mit Welschkorn wo von ich den dritten Theil abgeben muß. Auf meinen Eigenen bestelle 22 Ackers mit Weitzen 5 Ackers mit Hafer habe deshalb aussicht das ich bei geringer Ernte 600 Büschel Weitzen Erten kann.
Ich hoffe dieses wird genügen, das Euren bekümmernissen ein Ende gemacht werde. Übrigens ist es nicht mein Motto Geld auszugeben, wo es nicht Pflicht, und Bedürfnisse erfordern, in unsern Haushalt, leben wir einfach, für Luxux-Artikel in keiner Hinsicht, gebe ich das Geld nicht aus.
Lieber Bruder! Da aber hier in Amerika besonders in dieser Zeit, eine Bedenkliche Zeit war, wegen der Algemeinen Geld=Krisis, so bemerkte ich in meinen letzten Schreiben, wen Ihr mir noch etwas schicken wolltet, es mir jetzt wohl am gelegensten kommen würde; da ich besonders zu der Zeit noch keine Sicherheit hatte von meinen Schwiger=Vater, und ich für meine Austeuer, von Dir nur 300 rl erhalten habe, und ich Glaubte das es wenig sei, weil ich nachher alles nach billigen Preisen berechnet, nach meiner Berechnung 500 rl für dieselbe verlangen dürfte, so glaube ich wirst Du es mir nicht für ungut halten, wen ich Dich darum Ersuche mir daß übrige so bald wie möchlich zu schicken, damit ich mein eigenes Geld nicht mit so hohen

Seite 3

Procenten Verzinsen müßte, und wenn Du köntest es mir noch vor d 1 ten April mittelst Wechsel auf Newyork sendest. Ich will mit diesen nicht eine festgesetzte Forderung machen, ist meine Forderung zu hoch, so bitte ich um Entschuldigung, bitte auf besagte zeit wen möchlich um Nachricht oder Werth.
Wir haben hier jetzt niedrige Preisen, und bei alle diesen wen man etwas verkauft, hat man oft den geringen Werth mit Wegen und Mahnen zum zweiten zu verdienen, wen mann es den Endlich erhält.
Der Winter ist bis jetzt sehr gelinde Schnee haben wir wenig, bis jetzt noch gar keine Schlittenfarth. Was mich und meiner Familie in persönlichkeit anbetrift, so haben wir
Ursache Gottes Gnade und Güte zu Preisen, und ihm zu Danken für alle die unverdienten Gnade die er uns bisher zu Theil werden lies. Wir sind den Leibe nach gesund, mit unseren Kindern; Und fernerhin noch Willens in Gottes Wegen zu wandeln möge der Herr uns seinen Geist und Gnade dazu schenken.
Grüße besonders unsere Liebe Mutter, und laß Ihr dieses wissen. Es thut mir im Herzen wehe wen ich höhre das sie sich um unsertwegen Sorge und Kümmernisse macht, möchte sie dieses fernerhin nicht mehr thun; Es war ja zu meinen Heil das ich in dies ferne Land zog, alwo jetzt der mir meine Zuflucht ist der Himmel und Erde Schuf, und seinen Sohn für uns arme Sünder dahin gab zu unserer Selen Seligkeit. Wir fühlen uns Glücklich in Ihm, und freuen uns in der Hoffnung das er auch uns ein Erbe bereitet hatt bei seinen Vater im Himmel, möge er uns Gnade verleihen. Treu zu sein bis in den Tod.
Hiermit meinen Herzlichen Dank an Vater und Mutter, für alle Güte und Liebe und fürr alle Wohlthat und Fürsorge. Gruß an Euch alle Eltern und Geschwister Verwante und Bekante. Bitte nochmals um baldige Nachricht; Es Grüßt Dich Dein in Liebe verbundener Bruder und Schwigerin

Famingtown d 15 ten Januar 1858

Es grüßen Euch alle Bekannte Heinrich Meyerarend
Adressiere meinen Brief Watertown      Threse __________



Seite 4

Da jetzt mein Stoff zu schreiben für das Nothwendige alle ist, so möchte ich, den noch vorhandenen leeren Raum für ein schönes Lied benützen nach der Melodie – Nun sich der Tag geendet hatt -

V, 1) Wie bist du mir so innig gut, Mein Hoherprister, Du!
Wie theu’r und kraftig ist dein Blut, Es bringt mich stets zur Ruh.
2) Wenn mein Gewissen zagen will, Vor meiner Sünden Schuld,
So macht Dein Blut mich wieder still, Setzt mich bei Gott in Huld.
3) Hab ich gestrauchelt hie und da, Und will verzagen fast,
Spür Dein Versöhnungsblut ich nah, Das mir meine Last.
4) So ist’s, o Herr, Du trügest nicht, Dein Geist mir Zeugnis gibt
Dein Blut mir Gnad und Fried verschaft, Ich werd umsonst geliebt.
5) So will auch ich, Herr, lieben Dich, Mein Gott, mein Trost, mein Theil,
Ich will nicht denken mehr an mich, In Dir ist all‘ mein Heil.
6) Weg Sünde! Bleib mir unbewußt; Still Christi Blut mein Herz,
So stirbet alle Sündenlast, Der Sinn geht Himmelwärts

 


Bilderfolge zum obigen Thema

Fürstlich Lippisches Regierungs= und Anzeige=Blatt 18.September 1852 Seite 1
Fürstlich Lippisches Regierungs= und Anzeige=Blatt 18.September 1852 Seite 2

Brief Orginal Seite 1
Brief Orginal Seite 2
Brief Orginal Seite 3
Brief Orginal Seite 4

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