Mein lieber Ernst Krusekopf u. Familie! Dez. 35
Ich habe schon lange Zeit nichts mehr von Euch Hillentrupern und den Lemgoern Verwanten gehört, hoffe aber, daß Ihr noch alle gesund und munter seid. Die Ursache liegt wohl zum Teil in dem geringen Verdienst von dem du in deinem letzten Briefe geschrieben hast, da muß man schon den Nickel, bei Euch würde man sagen, den Pfennige zusammen halten, zum andern du und die Marqueins [?] und die Lemgoer werden mit der Zeit auch schon alt, da ist man nicht mehr so … [?] rüstig wie in den jüngern Jahren. Ich spüre daß von mir selbst. Ich bin freilich in meinem Neunzigsten Lebensjahre, genau 89 Jahr und 7,5 Monat alt, So alt bist du noch lange nicht. ?Wie alt bist du? wenn ich fragen darf? Meine älteste Tochter Clara, ist 30 Jahre jünger als ich, und wird den 1. May 1936 auch schon 60 Jahr alt. Die jüngste, Lydia, bei der ich wohne, wird am 14. Merz 1936, 46 Jahr alt, Frieda war am 7. Sept. 1935, 54 Jahr und mein Sohn Heinrich wird am 7. Januar 1936 51 Jahr alt. Ich, der Jüngste in … [?] Familie, habe von allen meinen 8 Geschwistern, das höchste Alter erreicht, das ist eine besondere Gnade u. Gabe Gottes. Ja, Ich achte mich viel zu gering all der Gnade Gottes, die Er, in meinem langen Leben, mir erzeigt hat. Der Herr hat mich in seiner unendlichen Liebe, Langmut und Geduld, von Mutter Liebe an, wunderbar geführt, regiert, und erhalten bis zu dieser Stunde. Da kann ich nicht anders, als mit dem 103. Psalm, ausrufen: Lobe den Herrn, meine Seele. (Leset nach Ps. 103 Vers 1-5) In wie viel Not u. Gefahr hat nicht der gnädige Gott, über mir seine Flügel gebreitet. Wie die Zeitungen berichten, haben in Deutschland wohl die Meisten Arbeit, aber einen sehr niedrigen Lohn oder Verdienst. Hier gibt’s noch immer viel Arbeitslose, aber die Arbeit wird meist gut bezahlt, besonders die Regierungsangestellten. Die Vereinigten 48 Staaten sind groß. Wir haben hier in manchen Gegenden dies Jahr, gute Ernten gehabt, aber in andern Gegenden sehr schwache, ja hier haben Manche, durch die Ueberschwemmung, fast alles verloren, dadurch leiden nicht alleine die Farmer sondern auch die Arbeiter und die Geschäfte in den kl. Landstädten, oder wie mans in Deutschland nennt, Dörfer die Dorfleute fast alle mit. Es ist für Winter keine oder zu wenig Arbeit da, kein Handel und kein Verdienst, dagegen sind Tax, oder Steuern, sehr hoch, die … [?], wenn auch nur ein mit Schuld beladenes Haus ist. Die Nichtsbesitzenden, sind in … [?] der Steuern besser ab, als die Besitzenden. Das scheint ein Widerspruch zu sein, aber die Tatsache. Manche Rentar bezahlen einfach nicht, sie sagen, sie haben kein Geld, was soll man da machen? Der Zins ist heruntergesetzt. Die Bank gab sonst 4 Pro. jetzt nur noch 2 Pro. Die Bank hier hat auf viele Farms eine Schuldverschreibung, kann aber keine verkaufen, oder nur zum Halbenpreis. Mein Schwiegersohn A. Schmudde sagt, in ihrer Bank liegen Hunderttausen Dollar, die den Leuten gehören, aber keinen Cent Zinsen bringen. Es ist kein Handel u. Geschäft. Unsere Gemeinde hier in Chamois feierte am 20. Oktober ihr 50jähriges Gem. Jubiläum. Ich lege den …haften [?] Festbericht bei, da könnt Ihr mehr davon hören. Die Festcoleite [?] betrug in runder Summe 460,00 Dollar. Wir haben dies Jahr einen nassen, kalten Herbst. Schon Anfangs November hatten wir starke Nachtfröste die den Farmern viel Schaden getan haben. Die Farmer hatten spät, nach der Ueberschwemmung, noch viel Corn, (Welschcorn) gepflanzt, das war noch nicht reif, als der Frost kam, hat wenig Futterwert. Bei Euch wird diese Art Corn gar nicht gepflanzt, weil es da nicht reifen wird. Hier ist Corn u. Weizen die Hauptfrucht. Wünsche Euch Allen frohe Weihnacht u. ein reichgesegnetes Neues Jahr. Der Herr sei mit Euch! Lebtwohl u. glücklich! Herzliche Grüße von Schmuddes u. mir, dem alten Onkel H. Krusekopf
Nachschrift
Hat Aug. Krusekopf geschrieben wegen des Großvaters, Friederich Krusekopfs, Geburtstages?
Grüße Marquarts und alle die Anverwanten-Blutsfreunde und alte Bekannte, wenn solche noch leben. Wie Frevert und Andere.
Es muß Einer schon im hohes Alter haben der sich meiner noch erinnern könnte.
Wir freuen uns in Hoffnung auf ein Wiedersehen in einer besseren, zukünftigen Welt. Wir stehen jetzt in der Advenszeit, der Herr, unser König will zu uns kommen, ein Hohergast! Da fragen wir: Wie soll ich Dich empfangen und wie begegnen Dir? Freuen wir uns auf sein Kommen! Oder ist er schon bei uns eingezogen, in unser Herz u. Haus? Dann sind wir glücklich, selige Leute. Bei Manchen steht er noch vor Thür u. klopfet an, wohl allen, die sein Anklopfen gehört u. die Herzensthür aufgemacht und auf seine Stimme gehört und gesagt: Komm herein du Gesegneter des Herrn. Das ist eine selige Stunde, in der man Jesum sucht, findet, nennt, u. sich naht von Herzensgrunde … [?] Erbarmen findet.
Der Herr erfülle Eure Herzen mit Friede u. Freude. Der Herr ist nahe! Er kommt, laßt uns ihn entgegengehen. Er kommt mit Liebe und Luft, all unsere Not zu stillen.
In Jesu Namen, Amen u. Grüßt Eure Lieben alle.
Abgeschrieben von : Simone Quadfasel