Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Personenstandsarchiv Detmold D72 Nachlaß Petri Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel

Brief 1

Brief eines Lippischen Auswanderers nach Amerika.

Freeport, Stephenson County, Staat Illinois, den 17. Oct. 1847

Anmerkung der Redaktion:
Freeport liegt an der nördlichen, Wisconsin berührenden Grenze des Staates Illinois, von den Lippischen Auswanderern scheinen sich die meisten nach den Staaten Wiscounsin, Missouri und Illinois gewandt zu haben. Von diesen ist Illinois der bereits am meisten angebaute Staat. Er hält 2785 geographische Quadratmeilen (doppelt so viel wie das Königreich Bayern) und hatte nach den letzten Zählungen 476.183 Einwohner.
Wir werden wahrscheinlich nächstens noch einige Auswanderer-Briefe mittheilen können, die aber nicht alle so günstig lauten, wie dieser.

Gott und ein gesundes Leben will ich euch zum Wunsche geben, herzvielgeliebte Brüder und Schwestern, Schwager und Schwägerin. Dieweil wir uns seit dem 5ten Mai von euch entfernt haben, fühle ich mich gedrungen, an euch zu schreiben; ich weiß doch, dass ihr schon manchmal an uns gedacht habt, wie wir an euch. Wir sind elf Wochen und vier Tage auf der Reise gewesen, aber der liebe Gott hat uns bewahret, dass wir sie glücklich vollbracht haben. Am 11. Mai kamen wir zu Erder auf das Dampfschiff, mit welchem wir am Abend desselben Tages in Bremen anlangten. Bremen ist von Erder 24 Stunden entfernt. Zu Bremen mussten wir zwei Tage lang auf einen Kahn warten, der uns nach dem Bremer Hafen bringen sollte. Am 14ten trafen wir dort ein, woselbst wir gleich in Wühelhausens Korst [?] waren. Am 17ten Mai verließen wir den Bremer Hafen, und fuhren bis an die See, ungefähr acht Stunden von dort entfernt. Hier mussten wir wieder anderthalb Tage, wegen ungünstigen Windes, anhalten. Bei günstigem Winde fuhren wir darauf ab, so dass wir am vierten Tage uns zwischen England und Schottland befanden. Wir hatten auf der Reise mit ungünstigem Winde und starkem Nebel sehr zu kämpfen, was sehr gefährlich für uns war, in dem der starke Nebel fremde Schiffe unseren Augen verbarg, und es somit leicht geschehen konnte, dass Schiffe aneinander gerathen und verunglückt wären. Die Wellen schlugen oft über das Schiff und es wurde wohl 16 Fuß empor geschleudert. Die Seekrankheit bekamen wir alle, die Kinder so gut wie die Eltern. Es sind auf unserem Schiffe 11 Personen, 9 Kinder und 2 erwachsene Leute, gestorben. Im Ganzen befanden sich mit dem Kapitän und den Matrosen, 350 Personen auf demselben. Es war immer sehr kalt auf der Seereise, sonst wären noch mehr gestorben. Das Essen war anfangs schlecht zubereitet und auch nicht hinreichend; als aber Klage darüber kam, wurde es besser, so dass man ziemlich damit zufrieden sein konnte. Lieben deutschen Brüder, wenn von euch jemand die Reise antreten will und Kinder hat, so nehme er vor Allen etwas trocknes Obst, Grütze und Mehl und was weiter als Nahrung für Kinder dienlich ist, mit; man kann es auf dem Schiffe wohl zubereiten. Wir sind gerade acht Wochen auf der See gewesen. Am 13. Juli trafen wir in Quebeck ein, von hier fuhren wir mit einem Dampfschiffe nach Mondarahl [Montreal], von da nach Bufaloh [Buffalo] von Bufaloh nach Schikako [Chicago]; von da sind wir 5 Tage zu Land mit Wagen gefahren bis nach Rockrun, woselbst Eggert aus Brakelsiek und Otten aus Meinberg wohnt. Bei Otten sind wir 14 Tage im Hause gewesen, in welcher Zeit wir uns erkundigten, wo wir unsern Wohnsitz anlegen könnten. Zehn Meilen von Freeport haben wir aus zweiter Hand 100 Acker [ein Acker ist 2 ¼ Lippische Scheffelsaat] Land welche 320 Dollars (ein Dollar ist in Deutschland 1 Taler 14 Schilling) kosten, angekauft. Wilhelm Kottmann hat 10 Acker davon bekommen. Wir haben gutes Wasser dabei, und überall Eichenholz darauf stehen. Wer es aus der ersten Hand noch ankaufen kann, dem kostet der Acker nur 1 ¼ Dollar; jedoch trifft man dieß hier selten noch. Liebe Brüder, denket aber nicht, dass hier kein Platz mehr wäre. Im Gegentheil so wohl bebautes als unbebautes Land ist hier noch zu haben; denn die Amerikaner verkaufen es wieder, und ziehen weiter. Wir haben und zwei Ochsen und einen Wagen zu 80 Dollar gekauft; zwei Kühe, zwei Kälber und eine Sau mit sechs Ferkeln, so wie acht Hühner kosten uns 15 Dollars. Der Weitzen ist hier sehr wohlfeil. Den Buschel kann man jetzt kaufen für 3 Schilling (in Deutschland 18 … [?]) Wir haben 33 Buschel gekauft; 3 Buschel sind ohngefähr 2 Lippische Scheffel. Der Buschel Kartoffeln kostet 10 Zent (5 Pf); ein Pfund Speck 6 Zents, Fleisch 1 Zent. Wir haben uns ein Haus nach dem in Deutschland gebräuchlichen Stile gebaut, 32 Fuß lang und 16 Fuß breit, nur bloß zu zwei Stuben eingerichtet. Hier in Amerika wird kein Korn in die Häuser gebracht, sondern draußen in Haufe gesetzt und mit Maschinen gedroschen; man drischt hier des Tages 150 Buschel. Das Stroh bleibt liegen auf dem Acker und verfault dort. Wir haben für das Vieh 16 Fuder Heu auf den Winter in Haufe gefahren. Den Sommer kostet das Rindvieh hier nichts, es geht hier dann im Grase, dass man es kaum sehen kann. Die Schweine kosten hier auch nicht viel; sie laufen hier wie wild im Holze herum und werden auf den Ackern fett. Ein Jeder muß aber sein Schwein zeichnen, damit er es erkennen kann, somit kann es nehmen wer will. Lieben Brüder, es ist hier recht gesundes Wohnen. Man kann hier die Luft mit der Luft bei euch in Deutschland vergleichen. Es ist hier so lange wir hier gewesen, schon sehr war, und diesen Herbst sind einige Tage sehr kalt gewesen. Auch ist hier viel Geld zu verdienen; ein gewöhnlicher Tagelöhner bekommt nebst Essen und Trinken 4 Schillinge des Tages (25 mgr.) Fritz ist hier in Friport [Freeport] bei einen Maurermeister und verdient alle Monat außer der Kost 4 Dollars. Der Maurermeister will ihn gern drei Jahr behalten und das Mauern lehren; dann bekommt er das erste Jahr 30, das zweite 60 und das dritte 100 Dollar. Ob Fritz dieß Anerbieten annimmt, kann ich euch noch nicht schreiben. Marie dient auch in Friport bei Engländern, und bekommt monatlich 4 Preußische Thaler Lohn; wenn sie erst Englisch sprechen kann, verdient sie wohl 4 Dollar. Lieben Freunde, eine traurige Nachricht muß ich euch mittheilen; unsere kleine Karoline ist in Rockrun bei Otten aus Meinberg gestorben. Es wurde bei der Todten im Hause gesungen und gepredigt, und dieselbe sodann in der Stille nach dem Kirchhofe gebracht. Lieben Leser dieses Briefes, ich meine euch alle, Freunde, Nachbarn und Bekannte, ich wollte wünschen, dass auch ihr aus dem Sklavenlande [Anmerkung der Redaktion: Bezieht sich hoffentlich eher auf das in Deutschland gebräuchliche viele Arbeiten, sonst wollten wir uns den Ausdruck höflich verbeten haben.] Deutschland befreit wäret; denn wer hier erst zwei Jahre gewesen ist und erst einmal geerntet hat, der hat für sich und sein Vieh genug zu leben. Man braucht hier nicht für andere Leute zu arbeiten, und auch solche große Nahrungssorgen nicht zu tragen wie in Deutschland. Lieber Bruder bringe doch diesen Brief nach Klöpping und alten Hagemeisters und nach alten Nolten in Meinberg. Seid Alle viel Mal von uns gegrüßt; wir sind alle, Gott sei Dank, noch frisch und gesund, und wir wollen hoffen, dass dieses Schreiben auch euch recht gesund antreffen möge. Es wird uns eine große Freude sein, wenn wir das aus dem Briefe ersehen, den ihr uns wieder schreibt. Bringet doch diesen Brief nach Horn, lieber Schwager und Schwägerin seid viel Mal von mir und meiner Frau und uns Allen gegrüßt, grüßet auch Konrad und seine Frau von uns Allen. Wir sind, Gott sei Dank, recht munter und wohl. Schreibet uns doch auch wieder, wie es euch geht; ihr könnt leicht denken, dass es uns eine große Freude wäre, wenn wir hörten, wie es euch geht. Grüßet auch meinen Schwager Vietmeier und seine Frau und Kinder von uns Allen; auch einen Gruß an meinen Schwager und meine Schwester Blanken. Grüßet doch Franz und Christian und alle eure Kinder von uns Allen, wir wollen euch Allen die beständige Gesundheit wünschen und wollen hoffen, dass wir uns in der Ewigkeit einander wieder sehen. Lieben Brüder, denket nicht, dass ich euch Lügen in die-
[Brief endet hier]

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