Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Personenstandsarchiv Detmold D72 Nachlaß Petrie Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel

Brief 2

Brief eines Auswanderers

Rock Grove, Stephenson County, Staat Illinois, den 1sten Dec. 1847.

Anmerkung der Redaktion:
Bei der Beförderung dieses Briefes verdient der Scharfsinn, mit welchem die Postbehörden die Adresse entzifferten besondere Anerkennung. Die Grund, als das des Briefschreibers aufgesetzte Adresse lautete buchstäblich: „Mr. Frederick Holsta in Billerbeck Amt Scatar Den Lipdamolt Europa“. Unter dieser Adresse gelangte der Brief über Paris, wo 5ten Jan. 1848 mit einem Stempel versehen wurde …tig [?] nach „Billerbeck im Amte Schieder fürstlichem Lippe-Detmold“. … Brief … aber … solche unvollkommene Adresse … [?]. Den hiesigen Einwohnern, welche nach Amerika schreiben, ist zu rathen, beim Aufsagen [?] der Adresse nach recht vorsichtig zu Werke zu gehen. Sie muß mit lateinischen Buchstaben deutlich geschrieben werden, und neben der Bezeichnung des Ortes, nach welchen der Brief bestimmt ist, darf die Angabe des Bezirkes (County) und des Staates in welchem der Ort liegt, nicht fehlen. Über die Rechtschreibung des Ortes und anderen Namen ist es gut, zu… [?] mit unterschiedlichen Leuten Rücksprache zu nehmen, da die Ausgewanderten, die der englischen Sprache noch nicht mächtig sind, bei Angabe ihrer Adresse hierin häufig und bis zur völligen Unkenntlichkeit fehlen.

Einen Brief an meinen herzliebsten Vater, Brüder, Schwestern, Schwäger und Schwägerinnen. Ich thue euch kund, dass ich den 17ten November euren Brief empfangen habe und daraus gelesen, dass ihr noch alle gesund seid, welches mir eine herzliche Freude war. Ich fühle mich schuldig, dem Hernn Dank zu bringen, dass er uns in der Gnadenzeit gesund erhalten hat. Mein herzliches Verlangen ist, wie Euer Wunsch, dass ihr doch möget bei mir in Amerika wohnen. So es Gottes Wille ist, werdet ihr eure Heimath hier auch finden. Es gefällt mir hier sehr gut, man kann Gott hier mehr dienen, wie in Deutschland; denn der Druck von der Welt ist hier nicht wie bei Euch. Hier ist ein freies Land. Von 50 Acker oder 100 Scheffelsaat sind die Abgaben 1 Dollar das Jahr, und das Land ist hier ganz gut. Es braucht in langen Jahren nicht gedüngt zu werden. Es grüßet euch vielmals Otte und seine Frau; er lässt euch wissen, dass er schon 10 Jahre in Nordamerika gewesen ist, und keine bessere Gegend angetroffen hat, als hier. Du schreibst mir, herzlieber Bruder, dass ich die Preise des Landes Dir schreiben mögte. So wie Du in Deinem Briefe erwähnt hast, so sind die Preise auch hier. Der Acker Land aus der ersten Hand kostet 1 ¼ Dollar; das ist aber drei Stunden entfernt von uns gelegen. Das Land, welches nahe am fließenden Wasser und Holz liegt, ist alle verkauft, aber die Leute verkaufen es wieder, und ziehen weiter. Der noch unbebaute Acker kostet aus der zweiten Hand 4 bis 7 Dollars, je nach dem ist. Der Acker mit der Frucht, einem Hause und Vieh kostet 7 bis 10 Dollars. Das Vieh geht hier ohne Hirten und zwar bis an den Leib im Grase und kostet uns nichts. Was ein jeder benutzt, muß er zeichnen. Der Buschel Weitzen kostet 1 ½ Dollars. Wenn der Weitzen gemäht ist, dann wird er in Garben gebunden und in Fimmen oder große Haufen gefahren. Das Land wird dann nicht abgeharkt und bleibt oft ganz voll liegen. Wenn unsere herzliebste Schwester Amalie mit ihren Kindern hier bei mir wäre, ich wollte ihr als Bruder helfen. Denn wer seinen Bruder oder seine Schwester nicht liebt, die man sieht, wie kann man Gott lieben, den man nicht sieht. Wenn es Gottes Wille ist, herzliebste Schwester, so komm und glaube meinem Schreiben, denn ich hoffe, ihr werdet insgesamt meinem Schreiben doch glauben. Wenn ihr kommen wollt, so kommt so bald wie möglich diesen Frühjahr, damit ihr zur Erntezeit hier seid. Nehmt alte Kleider mit, die ihr auf dem Seeschiffe anzieht, denn da herrscht Unflath. Bringt nicht zu große Kasten mit, sondern packet das Nöthige in Säcke, da diese auf vielen Stellen frei sind, schreibt aber einen Namen daran, das ist nämlich sehr gut. Gebt auch ja Acht auf eure Sachen; denn bei mir sind Einige darum gekommen. Bringet ein Stoßeisen mit, womit man das Fleisch stoßt; auch Häckseln und Spinnräder, einen Kaffenbrenner und Kaffeekessel, eine Pfanne; denn das kommt euch auf dem Seeschiff sehr zu Nutzen, da das Fleisch und Späck darauf sehr salzig ist und ihr es dann braten könnt. Nehmt auch Kaffee und Zucker, Wein in Flaschen, ja nicht im Faße, da er darin gleich sauer wird, oder auch guten Branntwein, jedoch keinen Rum, welcher auch gleich zuwider wird, mit. Auch etwas Weitzenmehl, welches euch auf dem Schiffe sehr zu Nutzen kommt, nehmt mit. Sehet zu, dass ihr mit einem dreimastigen Schiffe, und ja mit keinem zweimastigen Schiffe, welches zu leicht auf den großen Wellen ist, fahrt. Wenn es in das Seeschiff geht, müsst ihr machen, dass ihr die Ersten seid und in die Mitte des Schiffes kommt; denn da ist es nicht so unruhig. Ihr müsst die Betten nehmen und legen sie gleich in die Bettstelle, sonst gehen euch andere vor. Wenn ihr keine Gelegenheit nach Bremen habt, so geht nach Giebe in Detmold; der besorgt die Überfahrt eben so gut; denn so wie er zu mir sprach, ist es gewesen. Das Geld, welches ihr mitnehmt, wechselt in Fünffranken- oder Zehnfrankenstücke um; aber ja bei euch, denn in Bremen betrügen sie euch. Die mitzunehmenden Sachen könnt ihr in Bremerhafen kaufen, da ist es am billigsten. Nehmet ja kein kleines Geld mit, denn in Bremen nehmen sie es nicht mehr. Geht aber nicht ohne Handgeld weg, sonst nehmen sie in Bremen, was sie wollen. Bei uns waren einige, die auf … [?] man mitgezogen. Die mussten 10 Taler bezahlen.) Einige meinen, dass über Quebeck zu reisen billiger wäre, als über Neuyork [New York]; die Schifffahrt zwar nicht, aber zu Lande in Amerika. Wir mussten 12 Dollar bezahlen von Neuyork bis Milwake [Milwaukee]. Dann hatten wir 100 Pfund frei und die Kinder unter 12 Jahren waren frei. Von dem Übergewicht mussten wir noch Mal theuer bezahlen. Diejenigen, welche auf Quebeck angekommen sind, haben nur 8 Dollars bezahlt und alles Gepäck frei gehabt. Richter und Goskel aus Belle sind auch auf Quebeck angekommen; mit denen habe ich gesprochen. Herzlieber Vater, Brüder, Schwestern und Schwägers, mein Wunsch ist, dass ihr alle zusammen kommen möget; denn dann könnt ihr viel billiger kaufen, da die meisten hier über 80 Acker besitzen. Wer das im Ganzen kaufen kann, der kriegt es viel billiger, als im Kleinen. Ihr könnt es ja demnächst unter euch theilen. Wenn ihr kommen wollt, so kommt dieses Frühjahr, so bald wie möglich, denn aus Brakelsiek wollen auch viele kommen. Wenn ich ein Jahr eher hier gewesen wäre, das wäre mir 500 Reichsthaler wert gewesen. Es wird hier jedes Jahr theurer; denn die Einwanderung ist sehr groß. In unserer Nähe wird auch eine Eisenbahn angelegt, wobei man schweres Geld verdienen kann. Eisenbahnen trifft man in Amerika viel an, aber keine Chausseen wie in Deutschland. Liebe Freunde, ich theue euch nochmals kund, dass ich von Otten aus Meinberg 30 Acker Land, 1 ½ Acker Wiesen und 5 Acker Holzwachs gekauft habe für 220 Dollars, die ich noch hatte, denn ich musste vielen Schaden leiden an meinem Gelde in Bremen; 1 Dollar musste ich mit 1 Taler 17 Franken einwechseln. Darum warne ich euch nochmals, wechselt das Geld bei euch in Frankenstücke, so habt ihr dann gar keinen Schaden; denn die gelten in Amerika eben so viel wie bei euch. Weiter thue ich euch kund, dass wir jetzt zwei (2) Pferde, 4 Kühe, 4 Ochsen haben, außerdem mästen wir 20 Schweine, und haben noch dazu 18 Faselschweine. Die Reisekosten von Haus bis an Ort und Stelle kann ich auf 70 … [?] rechnen. Das Blechgeschirr nehmet ja nicht zu klein, sonst müsst ihr Hunger auf dem Seeschiff leiden; denn das Brod ist geschroten und sehr hart gebacken, so dass man es nicht zerschneiden kann, man muß es klopfen. Die Brode waren 3 Zoll lang und breit und 2 Zoll dick, so dass das ganze Brod durch und durch hart war. Liebe Bruder und Schwägers und Schwester Amalie, (aus Brakelsiek) nach meiner Meinung denke ich, dass ihr euch in Amerika viel besser steht wie in Deutschland; denn hier hat man das Land in einem Kampe und das Haus darauf. Die Jahreszeit ist wie bei euch nur ist es im Sommer etwas wärmer. Den 17ten November hat es hier schon geschneit, aber der Schnee ging gleich wieder weg. Weiter kann mit meinem guten Willen nichts schreiben. Herzliebste, wenn es Gottes Wille ist, so wird euer und mein Wunsch erfüllt. Betet zu Gott und unserm Heiland Jesus Christus. Wenn wir es werth sind, dass wir uns umarmen und Freudenthränen vergießen, so wird es Gott geschehen lassen. Seid getrost, ruf ich euch aus der Ferne zu, gleich wie unser Heiland zu seiner Mutter rief, wie er sein Blut für uns am Kreuze vergoß und zu Johannes sprach, nimm sie als deine Mutter an. So wird der himmlische Vater auch heute noch für uns sorgen, wenn wir ihn bitten. Ich muß abbrechen. Prüfet euch selbst. Karl Lesemann grüßet seinen herzlieben Bruder vielmals, und es war ihm sehr auffallend, wie er die traurige Nachricht erhielt, er will in kurzer Zeit euch schreiben; es geht ihm recht wohl. Grüßet den Prediger, Lehrer und Meister Niere; ich sage noch großen Dank für ihre Liebe, die sie mir gezeigt haben. Grüßet die Nachbarn und Bekannten. Es geht mir Gott sei Dank recht wohl. Es grüßet euch Otte und seine Frau und Philipp Holste. Rock Grove, den 1sten December 1847. Unsere Adresse ist: Rockgrove Stephenson County, Staat Illinois, Nord-Amerika.

Der Schreiber des Briefes stammt vermutlich aus Billerbeck

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