Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Personenstandsarchiv Detmold D72 Nachlaß Petri Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel

Brief 4

Hermann [Gasconade County, Missouri] den 26. Oct. 1846

Anmerkung der Redaktion:
Für diesen End die übrigen in den letzten Tagen uns zugegangenen Briefe ausgewanderter Landsleute sagen wird den Herren Einsendern besten Dank. Wir glauben, daß durch derartige Mittheilungen für die Aufklärung einer der wichtigsten Fragen, welche gegenwärtig unser Staats- und Volksleben beiregt [?], ein sehr wesentlicher Dienst geleistet sei; und es würde uns von besonderem Belange scheinen, wenn wir durch fernere ehrliche Mittheilungen (einerlei ob sie günstig oder ungünstig lauten, wenn sie nur demnächst uns vielleicht in den Stand gesetzt sehen, eine einiger Maßen vollständige Übersich über die Schicksale und Verhältnisse der Lippischen Auswanderer in der neuen Heimath zu geben. Das bis jetzt vorhandene Material reicht dazu freilich nicht hin. Wir werden aber fernere Mittheilungen, welche dazu beitragen können, dankbar annehmen. Briefe und sonstige Schriftstücke, welche im Originale eingehen, werden wir, wie es auch bisher schon geschehen, auf Verlangen wenige Tage nach dem Empfange zurück senden. Die Redaction.

Vielgeliebte Frau und Kinder, jetzt wollet ihr wohl wissen, wie es mir in Amerika geht. Von meiner Gesundheit kann ich euch noch nicht viel schreiben; aber das Krankenlager habe ich, Gott sei Dank, verlassen, und ich bei Nedderhof am 10. d. M. Weggegangen, denn ich konnte es nicht mehr dabei aushalten. Konnte schwer arbeiten – halb satt zu essen. Ich bin jetzt bei Fritz Berkenkamp, da habe ich es gut. Zwar ich kann es ihm nicht vergelten, aber der liebe Gott wird es ihm wohl belohnen. Dem künftigen Frühjahr bin ich willens nach St. Louis zu reisen um mir was zu verdienen. Denn bisher habe ich noch nichts verdienen können. Ich bin froh, das ich meinen Lebensunterhalt habe und wenn ich nicht diesen guten Fritz angetroffen hätte, so hätte ich wie Hermann Grutmann im Busche begraben gelegen.
Hermann wurde krank am 15. Sept., wo er mit dem Fieber anfing und dann das hitzige Fieber, hernach das Gallenfieber und so nahm seine Krankheit immer mehr zu, und es war keine Hülfe und kein Arzt. Aus ihm wurde nicht viel gemacht, so lange aufstehen konnte, konnte er was essen, wenn er was mochte. In 5 bis 6 Tagen konnte er sich selbst nicht mehr helfen, und es wurde ihm auch nichts geboten. Blos 2 mal habe ich ihm in meiner Krankheit ein bischen zu essen gebracht. Hermann hätte noch gut leben können, wenn er bei andern gute Leute gekommen wäre. Den Tag zuvor, als er den andern Tag starb, ritt Fritz Berkenkamp für ihn zum Doctor. Nun aber war es zu spät. An seinem Tod ist glaube ich Nedderhof schuld, denn die Verlegenheit des Geldes war so groß, das er sie des Abends aus dem Hause trieb. Nun glaube ich nicht anders, sie hattens so darauf angelegt, sich hiermit zu helfen, was sie auch wirklich getan haben.) Hermann Grutmann starb den 26. Sept. Und wurde begraben den 27. im Busche, wo mehre Todte liegen.
Auch thue ich euch zu wissen, daß Nedderhof diesen Herbst von seinem Hofe ... [?] muß mietgen, so wie in Deutschland alle Mietgsleute thun müssen. Zwei ... [?], der eine ist nicht sein und der andere gehört ander Leuten. Zwei Kühe hat er, die andern gehört nicht sein. Wenn er nicht noch Geld von Deutschland kriegte, so werden es die ärmsten Leute, die in Amerika sind.
Nun aber endlich, liebe Frau und Kinder, wenn ich damals wußte, was ich jetzt weiß, ich wäre nicht von euch abgegangen. Denn die jemeinen Leute, die in Amerika sind, beschreiben das Gute, aber die Gegen-Stände die werden nicht geschrieben. Als wir in St. Louise ankamen, standen viele am Ufer und weinten und wußten nicht wohin und woher. Wer erst ins Land kommt wird krank; hat er dann noch Geld, so geht es gut, dann kann er sich helfen. Viele kommen um ihr Vermögen dadurch, und mancher verliert sein Leben. Wer in Deutschland leben kann, der gehe nicht nach Amerika, denn die Gegen-Stände sind schwer. Nun aber, liebe Frau, bitte Gotte, daß ich noch ein paar Jahre gesund bleibe und was verdiene. Denn werde ich euch unterstützen und kommen selbst wieder. Für diesen Augenblick kann ich es nicht, denn ich habe selbst nichts. Mich aber drückt es das Herz im Leibe, wenn ich an euch denke, wie du mit den Kindern wohl fertig wirst. Mit Bitterkeit und betrübten Augen habe ich diesen Brief geschrieben; du kannst denken, ich hätte schon mehr geschrieben; aber dein Herzeleid nicht größer zu machen, denn es ist schon groß genug für dich. Neuigkeit muß ich euch nicht zu schreiben: Wenn ich mal wieder zu Hause komme, so werde ich daher mehr erzählen, was ich noch nicht beschreiben kann. Seid vielmals gegrüßt, liebe Frau und Kinder, und grüße unsern Hauswirth von mir und den alten Grutmann, und erzähle im alles, was vorgegangen ist. Grüße Freunde und Verwandte und alle Nachbarn und Bekannte

Simon Henrich Meierkord

Simon Meiercord, Bauer
* 1806 (u) Lage (?)
Lebensphasen:
1846 (g) als Bauer
1846 Auswanderung in die, USA
18.07.1846 Einreisehafen, New Orleans, Schiff: Agnes


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