Brief 6
Erhalten am 24 März 1847
Deutsche Colonie am Colet, den 10 Novemb. 1846
Liebe Eltern!
Sehnsuchtsvoll hat Ihr gewiß schon lange auf mein Schreiben gewartet, und ich habe auch schon genug an Euch gedacht, um Euch meine Lage schreiben zu können; aber es hat sich noch immer nicht fügen wollen. Es ist jetzt fast ein Jahr, als ich von Galveston (spr. Gelvistn) aus unsere Seereise schrieb; darin versprach ich, sobald ich in die Colonie angekommen sei, die ganze Lage zu schildern. Ich bin nun nicht in die Colonie gezogen. Da war in Indian-Point (spr. Indien-Pein) (jetzt Carlshafen. Wie wir hinkamen, war unten am Strande ein Haus, welches Carlshafen bilden sollte.) So lange liegen mußten, und wurden nicht nach der Colonie gebracht – denn wir haben hier in Carlshafen 6 Monate gelegen, bemühte ich mich anderswo zu bleiben. Ich habe daher 4 Reisen gemacht. Das erste Mal machte ich 40 Meilen ins Land. Das 2te Mal 70 M. zum Capitain York, welchen ich aber leider nicht zu Haus traf. Das 3te Mal machte ich wieder über das Wasser 30 M. auf der Insel hinauf, worauf Galveston liegt (auf der Charte ist sie abgebildet als eine Landzunge von Mardegarde [Matagorda] herunter) und das 4te Mal wieder zum Capitain York, Dieses Mal machte ich die Sache rein. Und nun haben unser 4 Familien jede von ihm 50 Acker Land. Namentlich August Rabke, Friedrich Hörmann aus Herkendorf und Friedrich Hausmann aus Bösingfeld und ich. – Christ. Lütterbrad aus Kleinhilligfeld hatten keinen Lusten, weil er in Victoria viel Geld verdiente mit Fahren. Wir wohnen hier am Colet, und habe sehr klares und schönes Wasser, zwischen Victoria, waren wir 30 Meilen, Goliad waren wir 18 Meilen, St. Antonia, waren wir 70-80 Meilen, Gonzales, waren wir an 40 Meilen und von Chischholms-(spr. Tzischem-) Freire (od. Galuppe) (welches jetzt auch eine Stadt ist, 12 Meil. sind. Wir sind hier sehr froh, da wir nach allen Seiten hin Absatz haben. Wir sämtliche Familien können schon sagen, wir leben im Wohlstande; denn es kennt uns kein Vogt und kein Förster. Wir können thun, was wir wollen. Dazu hat August Rabke schon 4 Kühe, 2 Kälber, 6 Hühner und 1 Hund. Friedrich Hörmann 2 Kühe, ein Rind, ein Kalb, 2 Pferde (das 3te ist ihm crepirt) und 9 Hühner, Friedrich Hausmann 2 Kühe, ein Rind, ein Kalb und 2 Hühner, und ich habe 5 Kühe, 1 Rind, 3 Kälber, zwei Jochochsen, 1 spanischen Bullen, an 30 Stück Hühner, worunter aber 5 Puter sind, und 1 Hund. 3 Pferde sind mir schon crepirt, aber nicht durch meine Schuld. Das erste kaufte ich in Carlshafen, um damit die Reisen zu machen. Ich hatte es aber nur einen Tag. Dieses Pferd hatte einige Tage vorher verfehlt gehabt, darauf kam der Nordwind, und – mein Pferd starb. Es starben viele. Es ist hier anders als bei Euch. Einmal hat man keinen Stall. Fürs zweite, das Norder durchdringt Mark und Bein. Ob es gleich nicht dabei friert, so ist es doch kälter, als wenn es bei Euch Eis friert. Das zweite kaufte ich von Yorks Schwiegersohn für 25 Dollar. Dieses war sehr gut. Habe auch mit ihm die Reise nach Braunsfels gemacht, welche doch an 100 Meilen sind. Es hat auch müssen meine sämtlichen Kühe zusammen holen. Hier werden die Kühe mit Pferden getrieben. So wollte ich denn einst des andern Tages ausreiten, und holte es den Abend vorher, da war es noch sehr munter, da fand ich es den andern Morgen todt. Als es geöffnet wurde, ergab sich denn, daß es das Rückenblut gehabt hatte, denn sämtliche Gedärme waren voller Blut. Lieber Vater, ich wollte schon immer schreiben, als es noch lebte. Du möchtest doch machen, so bald als möglich zu kommen. Du solltest nichts thun, sondern könntest immer mit diesem Schimmel ausreiten. Das 3te hatte ich von Goliad. Da es ein sehr frommes Pferd war, so dachte ich, daß meine Schwestern darauf reiten sollten. Damensattel habe ich schon. Hier reiten Damen und Herren. Wer zu Fuß geht, wird nicht viel geachtet, den halten sie für einen armen Mann. Dieses hatte sich am hintern linken Bein beschädigt. Und da dieses Jahr ein sehr ungesundes Jahr gewesen ist, denn die Amerikaner sagen, in 15 Jahren wüßten sie sich nicht ein solches Jahr zu erinnern, so wurde diese Wunde dem Pferde sehr dick, noch es bekam Würmer hinein. Ich hab mir aber alle Mühe und machte es wieder gesund, so daß der Huf schon wieder ganz dünn war, und es konnte schon wieder darauf treten. Einst des Tages hatte ich keine Zeit, darauf zu sehen, da geht es in das 6 Fuß hohe Gras, welches verflochten ist mit Brombeer- und Weintraubenranken, verwickelt ich darin, fällt nieder und kann nicht wieder aufkommen. Des andern Tages suchte ich es, da fand ich es den Nachmittag in dem langen Grase liegen. Es hatte sich viele Mühe gegeben, um aufzukommen, aber war zu schwach. Nun war hier niemand als Hörmann und ich, denn Rabke und Hausmann hatten das Fieber, und wir beiden waren zu schwach, um es aufzuhelfen. Zwei Tage verpflegte ich es, aber die Fliegen und Sonnenhitze machten es caput. Ich denke aber, unter einigen Tagen habe ich ein anderes, und einen kleinen Wagen, um Euch von Carlshafen gleich abholen zu können, denn hier ist es ungesund. Kommt daher jetzt, sobald als es möglich. An Milch, Butter, Käse, Fleisch, Eier und Hühnersuppen und Braten soll es Euch nicht fehlen. Wir haben auch schon mehrere geschlachtet. Dazu habe ich auch schon einen Hirsch herangeholt, einen Wolf erlegt; wie viele Schnepfen das weiß ich nicht; denn ich schoß in Carlshafen einst des Tages 36 und vor einigen Tagen schoß ich eine, und nachher wieder eine wilde Gans, und zwei Enten. Wir haben sie als Martinibraten betrachtet, denn sie war sehr gut. Wenn Wilhelm erst hier ist, so können wir die Jagd besser exerzieren. Ich habe bislang noch meine Hände gar zu voll, und kann mich daher wenig um die Jagd bekümmern, obgleich sie oft bis auf 1-200 Schritt zu meiner Wohnung kommen. Dazu habe ich schon einmal das Fieber gehabt, welches stärker abmattet, als in Deutschland irgend eine Krankheit. Wir wohnen jetzt auch im Hause. Bislang haben wir noch immer unterm Zelte gewohnt. Zwei Kühe habe ich, die ich für Mahlstedt sein Besten nicht gebe, und eine spanische ist so groß, daß sich Marianne im Anfange mehrere Wochen scheute, darunter zu gehen und zu melken. Man hat es hier sehr bequem mit den Kühen, die braucht man nicht zu hüten und zu füttern. Die Kälber bleiben bei Tage in der Fans, den Abend kommen die Kühe zu Haus, werden in die Fans getrieben und gemolken, und die Kälber kommen hinaus, um zu grasen. Da wir hier gerade an der Straße wohnen von Goliad nach Chischholm-Ferie, so haben wir vielen Zuspruch. Marianne wollte daher auch das Geld behalten für Milch, Butter, Käse und Kaffe. Sie hat bislang schon 12 … [?] aufgenommen, und wenn die von Mexico zurückkommen, wird sie noch mehr aufnehmen. Als das Militär hier im Juli herdurch kam, da wollte ein Offizier durchaus Marianne mit haben; als Marianne es nicht thun, und ich es nicht zugeben wollte, da mußten wir ihm versprechen, und die Hand darauf geben, daß wenn er wieder zurück käme, sollte sie sein Weib werden, und er wollte bei uns wohnen. Ich frug bei anderm nach ihm, welche mir sagten, daß er ein sehr reicher Mann sei. Die Mexicaner bitten um Frieden und wie man behauptet, so wird nach Neujahr der Krieg beendet sein, alsdann kommt er zurück. Die Texaner haben bedeutende Beute gemacht. Dies bewog viele Deutsche, auch dorthin zu gehen; worunter auch Kahler aus Fuhlen ist. Julchen hatte in Carlshafen sehr vielen Zuspruch. Besonders von dem Gymnasiallehrer Wiegand und einem Kaufmann aus Galveston. Ich wies sie zurück, daß Ihr erst kommen solltet. Wir wünschten daher so bald als möglich zu kommen. Sollte es diesen künftigen Frühjahr nicht mehr gehen, so ist es besser künftigen Herbst im September oder im Anfang Oktober. Sachen bringt nur mit so wenig als möglich. Auch Caroline kann ihren Koffer verkaufen. Nur etwas Betten, worin Vater und Mutter schlafen auf dem Schiffe, einige Milchselten [?], besonders aber eine Kiste, worin Ihr von einem Himpten Weizenmehl das Brot habt, (es muß aber zweimal in den Ofen, sonst hält es sich nicht.) 2 Schinken, in Bremen sind sie billig, getrocknete Wurst und Obst und Branntwein; ja keinen Wein, denn der schmeckt auf dem Schiffe sehr widerlich, auch etwas Bitter- oder Glaubersalz; damit, wenn Ihr in 2-3 Tagen nicht zu Stuhl gewesen seid, um gleich etwas einzunehmen; alsdann wird die Seekrankheit nicht zu stark. Gut ist es, wenn man sich auch vorher gereinigt hat. Bringet aber auch etwas Rocken, Weizen, Kartoffeln und die kleinen Obstbäume, besonders aber die Weinreben, wenn es auch nur Stecklinge sind, mit. Wir hatten unsern Sachen gut verwahret, aber von Galveston nach Carlshafen kamen wir auf ein Dampfschiff, dieses blieb auf einer Sandbank sitzen und zerbrach. Dieses ist die größte Gefahr gewesen auf unserer Wasserreise. Da wurden wir abgesetzt auf Port-Cavalle. Hier verdarben uns völlig unsere Kartoffeln, Rocken und Weizen, auch etwas Sämereien. Auch das Wilhelm Pulver mitbringt, denn hier kostet as einen Thaler. Hagel und Blei hat den Preis wie in Deutschland. An Schießgewehren ja nicht zu viel; denn die hiesigen sind weit besser als in Deutschland. Sie schießen immer auf 200 Schritt einen Hirsch. Die Texaner schießen vortrefflich. Als ich auf der Josel war, nach Mardagorda zu, da besuchte ich einen Farmer, der hatte eine Büchse, daraus konnte er 13mal schießen, wenn er sie voll geladen hatte. Dieser versicherte mir, er schösse auf 100 Schritt einen Dollar aus der Hand, und auf 200 Schritt in die Kappe hinein. Diese Büchse ist mit einer Walze, und so ein Schuß hinaus ist, wird gleich ein anderer vorgeschoben. Sollte Wilhelm aber eine gute Flinte oder Büchse haben, so mag er sie mitbringen.
Ich hatte versprchen, der Conferenz in Oldendorf sowie Hl. Clasing, Hl. R. Förster Rosenkranz … [?] zu schreiben; dieses soll auch geschehen, sobald es mir möglich ist. Hierin will ich alsdann die Lage der Colonie schildern. Nächstens gehe ich wieder hinauf. – Wenn Ihr von Bremen nach dem Bremerhafen fahrt, so kann Mutter aber nicht in einem solchen Kahne hinfahren, wie immer geschieht, denn hier werden sie eingepöckelt wie Schweine. Sie muß auf ein Dampfschiff. Auch auf dem große Seeschiffe könnt Ihr vier nicht in einer Koje liegen. Gewöhnlich kommen 5 Personen hinein. Ihr müßt mit dem Capitain sprechen.
Nun glaube ich vorläufig Alles gesagt zu haben; das Uebrige können wir hier durchsprechen, wenn Ihr erst hier seid. O sollten uns unser leiblichen Augen uns hier nochmals wiedersehen, liebe Eltern, dann wäre mir nochmals ein großes Glück zu Theil geworden. Der liebe Gott segne und stärke Euch auf der Reise. Dieses Alles wünschen wir von Herzen; besonders aber Euer in Texas lebender und Euch von ganzem Herzen liebender Sohn
Adolph Meier.
vermutlich
Conrad Kolmeyer
* ... Alverdissen (?)
Herkunft: Bega (Teut)
Lebensphasen:
1846 Auswanderung in die, USA
01.09.1846 Einreisehafen, Texas, Schiff: Orient
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