Auswanderung Lippe-USANaturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V. |
Personenstandsarchiv Detmold
D72 Nachlaß Petri Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel
Brief 7 Gott und ein gesundes Leben will ich Euch zum Wunsche geben. Herzvielgeliebte Mutter, Bruder und Schwester, Freunde, Verwandte, Nachbarn und gute Bekannte. Meine Lieben, ich muß Euch zu wissen thun, daß wir noch alle gesund und munter sind, wir hoffen und wünschen, daß Ihr es auch seid. Das Schiff, worauf wir nach Galveston gefahren sind, heißt Orient; der Schiffskapitain heißt Santurius. Unser Schiff war noch nicht ganz beladen. Am 30sten Sept. 1846 sind wir in See gefahren. Den 8ten October sind wir im Kanal eingelaufen. Die Schiffe werden alle bei England angefragt, wohin und woher? Wir fuhren in den englischen Hafen Plymuth [Plymouth] und haben die leeren Fässer gefüllt mit Wasser. Ich bin mit in die Stadt Plymuth gewesen, eine große und wunderschöne Stadt, viel Militair, und die vielen Schiffe, und das eine noch schöner als das andere. Morgens und Abends lassen sie in der Stadt Plymuth die Kanonen hören. Die Einwohner sind ganz gesprächig und gar nicht stolz. Die Seereise von Bremerhafen bis in die Mitte des atlantischen Meers hatten wir immer Sturm und Gegenwind. Auf unserm Schiffe waren 104 Personen. Die meisten waren seekrank. Es ist kein einziger gestorben. Ich und unser Sohn sind gar nicht seekrank gewesen, Essen und Trinken hat uns immer geschmeckt. Wir sind 13 Wochen auf dem Wasser gewesen. Die Zeit hat auch nicht lange gedauert. Ich habe immer gearbeitet, so gut als die Matrosen, und je toller das Schiff ging, je lieber es mir war. Meine Schwester hat immer für die Matrosen gewaschen und genähet, und meine Frau hat für uns gewaschen und genähet. Den 26 Decemb. 1846 des Mittags hat meine Frau gegessen und des Nachmittags hat uns der liebe Gott einen kleinen Sohn beschert. Es hat, Gott sei Dank, recht glücklich zugegangen. Den 30 December 1846 sind wir bei der Stadt Galveston glücklich angelandet. Die Seereise ist gar nicht gefährlich. Wir haben Weihnachten auf dem Meere gefeiert, und sind recht vergnügt dabei gewesen. An Essen und Trinken hat es uns nicht gefehlt. Der Verein hat gut für uns gesorgt. Mancher hungrige Mensch hätte sich können satt essen, was da den Tag übrig blieb. Den 3ten Januar ist unser Sohn in Galveston von einem deutschen Prediger getauft. Unser Schiffskapitain und der Vereinsrath in Galveston sind Pathe gewesen. Unser Schiffskapitain heißt Wilhelm und der Vereinsrath heißt Hermann. Diese beiden Herrn haben unser Kind zur heiligen Taufe gehalten, und haben wir ihm die Namen Hermann Wilhelm gegeben, unser Kapitain hat uns 6 … [?] geschenkt. Der Vereinsrath hat uns 4 Metzen voll Kaffee und 6 … [?] Zucker geschenkt. Diese beiden Herrn haben gut Geschenk gegeben; worfür wir dankbar sind. Den 7ten Januar 1847 sind wir auf Schonerschiff nach Indian-Point gereiset, daß ist 30 Meilen von Galveston. In Indian-Point sind wir 9 Tage gewesen; da sind wir hinauf gereiset nach Neu-Braunsfeld. Hier sind wir 11 Tage gewesen, da sind wir hinauf gereiset nach Friedrichsburg. Wir wohnen an der Hauptstraße und haben Nr. 51 und einen halben Acker zum Garten bei der Stadt. Das haben wir als freies Geschenk gekriegt, über die 320 Acker Land. Hier in Friedrichsburg haben wir mehr Land als wir auf dem Teute hatten. Ein Acker, das sind im Lippischen 3 Scheffelsaat. Wenn wir 3 Acker für uns ernten, so haben wir reichlich daran zu leben für Menschen und Vieh; und dann können wir das andern alle verkaufen. Wenn ich nun sage, das Land ist wie ein Garten in Ribbentrup. Der beßte Garten in Ribbentrup muß gedüngt werden. Wir brauchten hier nicht zu düngen, und können zweimal im Jahre ernten. Und hier ist viel Verdienst. Hier werden Mühlen und Kirchen gebaut. Der Tagelöhner verdient, wenn er einen Tag bei andern arbeitet, einen Thaler. Lieber Bruder und Schwester, denkt nicht, daß es hier in Texas ungesund ist. Wir haben hier gesunde Luft und gesundes Wasser. Die Früchte, die hier wachsen, schmäcken viel schöner und besser als in Deutschland. Da wird gesprochen, in Texas ist viel Krieg, die Indianer wären so schlimm. Vor diesem Allen sind wir gesichert. Die Indianer haben unter sich einen Oberherrn so gut als wir. Meine Lieben, wenn Ihr könnt, so schreibt doch, wie es in Deutschland ist. Es sind hier Briefe angekommen, in Deutschland wäre ungeheure Hungersnoth, und so gefährliche Krankheiten, daß so viele Menschen sterben. Sobald Ihr könnt, schreibt mir doch wieder Antwort. Den 11ten Juni d. J. ist der Grundstein zur neuen Kirche gelegt. Den Tag wurde auf dem Platze Kirche gehalten. Da wurde gesungen und gepredigt; und des Nachmittags haben die Herrn vom Verein Musik, Wein, Bier und Branntwein alles ganz frei. Die Kirche wird achteckig gebaut, und 3 Stockwerke hoch. Das untere Stockwerk 15 Fuß hoch, das 2te 13 Fuß, das dritte 10 Fuß. In das obere Stockwerk kommt das Glockenspiel. Die Kirche steht auf dem Marktplatz und an der Hauptstraße. Die Stadt Friedrichsburg steht wunderschön an beiden Quellen oder Brunnen. Das Wasser ist schöner als in Deutschland. Und an beiden Seiten der Stadt ist ein schöner Wald, und die vielen schönen Weiden, und jeder kann so viel Vieh haben als er will. Die fressen alle satt; und fressen das Gras lange nicht auf, das viele, das im Herbst noch muß abgebrannt werden. Wenn die armen Leute in Deutschland das Gras hätten, was verbrannt werden muß, dann könnten sie ihr Vieh füttern, so viel sie wollten. Das Holz, Gras, und alle Früchte wachsen hier schnell auf. Die hochgeehrtesten und hochgeschätzten Herrn des Vereins die sorgen ganz vortrefflich für die Einwanderer, für die Schifffahrt, für den Proviant. Wir hatten so viel Lebensmittel auf dem Schiffe, meine Lieben, Ihr hättet können satt essen, wenn Ihr das gehabt hättet, was wir übrig hatten, da wurde alle Tage das viele ins Wasser geschmissen. An Wasser und Lebensmitteln hatten wir noch viel übrig, das wir mit auf die Landreise kriegten. Das Geld aus Deutschland, das kommt alle nach Texas. Die meisten Deutschen reisen nach Nordamerika, und wenn sie in Nordamerika sind, so kaufen sie von den Amerikanern die Güter, Vieh und Korn, Wagen und Pflug für so und so viel Geld. Und die Amerikaner, die kommen mit dem Gelde nach Texas, weil es hier in Texas viel schöner und besser ist. Hier in Texas sind wir alle frei, uns wird nichts abgefordert. Wir haben viel Glück auf unserer Reise gehabt, alles was wir haben aus Deutschland mitgenommen, da ist nichts von verloren gegangen. Wir wollen wünschen, daß Ihr alle hier nach Texas reiset; denn da werdet Ihr große Herrn. Es ist, als wenn wir aus dem Jammerthal in den Himmel gekommen sind. |