Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Personenstandsarchiv Detmold D72 Nachlaß Petri Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel

Brief 12

Lieber Vater, Mutter, Brüder und Schwestern, da ich Euch versprochen hatte, Euch zu schreiben, wenn wir über das große Wasser wären, aber die Zeit wollte es nicht erlauben. Den 5ten April sind wir von Reine gefahren und den 15ten sind wir von Bremerhafen auf die See gefahren, wo wir 8 Wochen und 3 Tage auf zubrachten. Die Reise im Ganzen, bis zur Stelle, wo wir wohnen, 13 Wochen. Auf der Reise über die See bin ich und meine Frau 6 Wochen kränklich gewesen; aber unsern Kinder sehr munter, und Klemmen Heinrich auch sehr munter. Die Reise ist beschwerlich, aber nicht gefährlich. Wir haben auf der Reise viel gesehen, was in Deutschland nicht zu sehen war. Wir haben uns nun eine Stelle gekauft von 200 Acker, so viel gutes Holz dabei ist. Wir haben an Holz gar keinen Mangel. Unser Holz und Land liegt gegen einander zusammen, gerade wie ich es wünschte. Wenn ich vor der Thür bin so kann ich alles übersehen. Die Früchte auf dem Felde rechne ich auf 3-400 Buschel, der Buschel ist etwas größer als ein Himpten. Für die Stelle habe ich gegeben 655 Dollar. Dafür habe ich erhalten 1 Pferd, 1 Fohlen, 1 Kuh, 14 Hühner, 13 Puter, 4 Perlhühner, 18 Gänse, 1 Korb mit Bienen, 4 Pflüge, 2 schöne Bettstellen, 1 Tisch, 1 Butterfaß und noch mehr Kleinigkeiten, 8 Schweine. Dies alles haben wir erhalten für 655 Dollar. Außerdem haben wir ein gutes Pferd gekauft für 30 Dollar; 4 Kühe, 3 Kälber, 1 Rind und 3 Schweine, die fett waren. Das Pferd und die Kühe, die Kälber, das Rind und die Schweine, die kosten im Ganzen 68 Dollar. Meine lieben Eltern, Schwäger und Schwiegerin, wir wünschen uns nicht wieder in Deutschland. Denn es ist besser in einem freien Land zu leben, als in dem Joche des deutschen Landes. Von dem Quälen von Beamten, Untervögten, Forstbedienten, Summa von allen Spitzbuben, weiß man in Amerika nichts, denn es ist ein freies Land. Liebe Leute, es wäre Euch alle gut, daß Ihr in Amerika wäret, denn bei uns ist Freiheit überall. Die Arbeit ist in Amerika nicht so strenge als in Deutschland. Unsere Arbeit können wir alle bei Tage verrichten. Dreschen brauchen wir gar nicht, es wird alles wird von Pferden ausgetreten. Geschnitten wird für das Vieh gar nicht, alles wird ihm so vorgelegt. Darum ist das Vieh doch besser als in Deutschland; Schöne Pferde, Kühe, große Ochsen. Das ganze Vieh wird im Sommer gefährlich fett, ohne ihm etwas zu holen. Die Schafe in Amerika sind etwas größer als in Deutschland; und man braucht nicht u sorgen, daß sie von Schorf unrein werden. Die Schweine werden groß, ohne sich da Mühe um zu machen. Ich habe 12 Stück Schweine, davon ich 9 zu schlachten gedenke, und jedes 200 … [?] wiegen kann. Auf dem Felde, was ich gekauft habe, war ein Ort mit Taback bepflanzt. Den habe ich verkauft, und habe erhalten 2 fette Ochsen, wo jeder 600 … [?] von wiegt. Den einen will ich schlachten. Denn Fleisch kann jeder essen, so viel er will. Der Branntwein ist in Amerika viel besser und billiger. Meine lieben Leute, ich denke an Euch, denn ich weiß Eure Noth, und Ihr kommt nicht anders heraus, als wenn Ihr nach Amerika zieht. Da sieht man keinen, der arm ist. Ein jeder, der arbeitet, hat Essen und Trinken genug. Nun meine Lieben, wer kommen will, der komme. Aber bringt nicht zu viel Sachen mit; Kleidungsstücke, was Ihr habt, Harken, Schuten, Bohrer und Kessel. Bringet mit Handsägeblätter, aber keine Quersägen. Alles ist in Amerika auch, aber etwas theurer. Wer kommen will, der bringe mit auf die Reise guten Branntwein. Wein nehmt Euch in Bremen für die Kinder, da ist er billiger. Trocknes Obst vergesset nicht, das ist das Beßte auf der Reise. Pfeffer und Zwiebeln vergeßet nicht. Brot bringet Euch mit, denn das Schiffsbrot ist schlecht. Messer und Gabeln bringet mit. Meine lieben Verwandte und Bekannte, wenn Ihr die Reise anfanget, so fanget sie mit Gott an, der ist der Führer auf Wasser und Land; daß der euch möge das schöne Amerika sehen lassen. Da werdet Ihr Euch wundern über die schönen Früchte, die Ihr sehen werdet. Ihr werdet sehen den Segen des Herrn. Darum, einer Lust auf Amerika hat, der säume nicht, und lasse sich nicht abrathen. Denn Ihr wißt wohl, wie standhaft ich blieb. Nun habe ich eine schöne Stelle, von 120 Acker Land, so schön wie keine in Deutschland. Denn ich habe keinen Dünger nöthig, denn es ist so schöner Boden, daß die Früchte grausam wachsen. Ach, ich möchte mal eine Stunde mit Euch reden, so würdet Ihr das verfluchte Deutschland verlassen, denn der Segen des Herrn ist von ihm entgangen. Nun meine Lieben, jetzt muß ich Euch auch schreiben, daß bei uns viel deutsche Leute sind, die uns auf- und angenommen haben, wie keiner in Deutschland that. Sie haben uns mit allem fortgeholfen; so viel als sie konnten. Grüßet meine Brüder, sie sollten wünschen, sie wären bei mir, dann bräuchten sie kein Laub zu fahren.
Lieben Brüder, Ihr glaubt nicht, wie glücklich ich bin. Ich habe so gut, wie der Baron v. Münchhausen auf Schwöbber. Wir fahren und reiten zur Kirche. Wir haben einen deutschen Prediger. Grüßet alle in Reine. Wir wären gesund und munter, und so stark, wie wir in Deutschland nie gewesen wären. Das thun aber die Lebensmittel. Denn wir haben von Allem, was wir wünschen. Liebe Brüder, ich kann Euch unser Glück und Freude gar nicht schreiben. Meine Frau möchte mal einmal mit Euch sprechen, aber nicht wieder in Deutschland wohnen. Denn sie hat ihre Freude an den Kindern, daß sie alle so stark sind. Wenn Ihr schreiben wollt, so schreibt: Of Warenkounti, Staat Missouri, N. Amerika, An Heinrich Reese in Warenkounti [Warren County]. Wenn Ihr kommen wollt, so kommt auf Neu-Orleans [New Orleans], von da nach St. Luis [St. Louis], von da nach St. Charles. Da ist ein deutsches Wirthshaus, da geht hin und fraget nach dem Wege nach Warington. In Warrenton ist ein Schuhmacher, mit Namen Schmidt, welcher ein Deutscher ist, der wird Euch zu mir bringen.
Dieser Brief ist abgegangen d. 28 Nov. 1847 Heinrich Reese