Auswanderung Lippe-USANaturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V. |
Personenstandsarchiv Detmold
D72 Nachlaß Petri Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel
Brief 15 Gottes Güt und Treu ist jeden Morgen neu geliebte Eltern und Schwestern. Unsere weite Entfernung entsagt mir das Vergnügen mit euch mündlich zu sprechen, darum schicke ich euch einige Zeilen zu, damit ihr erfahret, wie es mir bis jetzt ergangen ist. Wir sind, Gott sei Dank, bis heute noch alle recht gesund. Ich will wünschen, daß euch dieß mein Schreiben auch bei gesunden Tagen antrifft. Der liebe Gott woll dann ferner mit uns sein. Wir haben eine ziemlich gute Reise gehabt, wiewohl man sich öfters hätte wohl die ganze Nacht auf dem Bette fest binden mögen. Wir haben vier und fünfzigsten Tage den gewünschten Hafen Quebeck erreicht. Die Reise haben wir wieder auf einem Dampfschiffe bis Buffalo gemacht; dort haben wir unsere meisten Reisegefährten verlassen und sind über den Ehrisee auf Ehri [Erie] zugemacht. Von Ehri sind wir mit einem kleinen Schiffe drei und einen halben Tag auf einem Kanale, der mehr als 100 Schleusen hatte bis nach Bieber [Beaver], wo wir jetzt wohnhaft sind, gefahren. In Bieber bekamen wir bei einem Deutschen Metzger, Namens Kaup, gleich Arbeit; und haben bei demselben zwei Monate gearbeitet und jeden Monat 17 … [?] nebst Kost verdient. Ich habe allerlei Arbeit verrichtet, Tischlerarbeit, Backsteine machen helfen, und was sonst mehr zu thun war. Meine Frau mußte Kochen und Waschen helfen. Dieß gefiel uns aber nicht und wir haben jetzt unsere eigene Haushalt. Wir haben für diesen Winter ein kleines Backsteinhaus für monatlich einen Dollar gemiethet. Ich arbeite jetzt bei einem Deutschen Schreiner Moller und verdiene den Tag einen Dollar. Die Lebensmittel sind hier eben so theuer wie bei euch. 100 … [?] Weitzenmehl kosten 3 Dollars, Buchweitzenmehl 1 ½ Dollar; das Pfund Fleisch kostet 4 bis 6 Zent; ein Pfund Butter 12 Zent. Ein Dollar hat 100 Zent, nach eurem Gelde 1 Taler 14 Groschen. Domeier und Finke sind am 11ten November weiter gereist bis St. Louis, welches 1200 Meilen von hier ist und wo der Lohn bedeutend höher ist als hier. Jetzt haben wir hier keine Bekannte mehr als Schnitger und Reuter von der Pivitsheide. Domeier und Finke haben uns versprochen, einen Brief zurück zu schreiben, und wenn dieser gut lautet, so wollen wir künftiges Frühjahr auch dort hin, denn zum Anbauen ist es hier nicht gut, weil das Land bei den Stätten noch theurer ist wie bei euch. Der Boden ist bergigt und mit vielen Steinen versehen, es wächst aber viel besser wie in Deutschland, Äpfel und Pfirsiche sind hier so viel gewachsen, wie ich es in Deutschland nie gesehen haben. Liebe Eltern grüßet meine Schiegereltern und saget ihnen, daß wir noch recht gesund sind. Selbst unsere kleine Luise, von der es doch immer hieß, „o, die kommt doch nicht über die See“, ist bis jetzt noch recht gesund und sie fängt schon an, das Gehen und Sprechen zu lernen. Auch auf der Seereise ist sie gesund gewesen, doch die ersten acht Tage hatte sie den Husten und Schnupfen. Wilhelm Kottmanns Sohn ist fast während der ganzen Reise krank gewesen, in Buffalo ist er gestorben und begraben. Meine Frau hat vierzehn Tage die Seekrankheit gehabt und ich fast fünf Wochen. Wie es uns noch sonst auf der Reise ergangen, habt ihr schon wohl aus Domeier´s und Schnitjer´s Briefen ersehen, da deren Briefe schon seit sechs Wochen hier abgeschickt sind. Das Essen und Trinken ist hier, wie immer gesagt worden, weit besser wie in Deutschland. Täglich drei Mal Fleisch und Brod, Branntwein wird jedoch dabei nicht getrunken, wie es in Deutschland an vielen Stellen Gebrauch ist. Ich habe in diesem Lande noch keinen Menschen angetroffen, der sein Brod vor fremder Leute Thür gesucht hätte, wie es doch in Deutschland so viele thun müssen. Ich wollte diese wären alle hier, denn wer hier nur wirkt, der hat Brod und fühlet nicht des Lebens Noth. Doch wer in Deutschland sein gutes Auskommen hat, der mache sich keine Mühe herüber zu kommen. Denn ein Jeder mag sich an die Geschichte Robinsons erinnern, so wie es dem ergangen, kann es jedem Einwanderer, der hier ins Land kommt, ergehen. Fremde Leute und eine unbekannte Sprache ist das unangenehmste, was der Mensch haben. So lange man die Sprache hier nicht kennt, fält es schwer Arbeit zu bekommen und wenn man auch Arbeit erhält, verdient man doch den Lohn nicht, der hier eigentlich verabreicht wird. Die Professionisten, welche im Lande am besten fortkommen, sind folgende. Schuhmacher, welche stückweise arbeiten, können den Tag zwei bis zwei und einen halben Dollar verdienen. Ein Böttiger verdient am Tag zwei Dollar. Ein Hausschreiner verdient den Tag einen bis anderthalb Dollar. Freie Gesellen, die hier als Matrosen auf den Dampfschiffen, welche die Strecke von Pitsburih [Pittsburgh] bis New Orlian [New Orleans] befahren, arbeiten, verdienen im Monat fünf und vierzig Dollars, und auf Dampfschiffen, welche Pitsburih bis Zinzinati [Cincinnati] fahren, fünf und zwanzig Dollars. Eine Magd verdient den Monat vier bis sechs Dollars und wird dazu weit besser behandelt wie in Deutschland. Auch ein Mädchen, das geschickt im Nähen ist, verdient hier guten Lohn. Meine Adresse lautet: An Heinrich Rosemeier in Beaver, Cordi Beaver, Staat Pensilwanien. (Über Bremen und New York) Begleitschreiben 3 Lieber Petri! Ich habe einige Anweisungen und Warnungen für Auswanderer im Interesse derselben niedergeschrieben, und gedenke dieselben unentgeltlich zu vertheilen. Es werden die Druckkosten 20 bis 30 … [?] betragen und werde ich breitwillig Euern Louis D´or aus meinen Mitteln dazu beisteuern. Ich wünsche aber, daß sich noch drei bis vier ehrenwerte Männer sich bei dieser unentgeltlichen Vertheilung betheiligen möchten, und frage diese bei Dir an, da auch Du Dich für die Auswanderungssache interessierst, ob Du auch vielleicht ein ähnliches Opfer zu bringen bereit bist. Solltest Du dieses wollen, so hast Du wohl die Gefälligkeit, noch zwei oder drei andere ehrenwerthe, wohlhabende Männer, vielleicht den Herrn Ebert, den Medicinalrath Hesse in Uffeln, u.s.w zu dem Opfer Eines Louis D´or auf zu fordern. |